Dokument1
Das ist doch Besessenheit, nicht wahr? Ich habe Angst, und zuweilen auch Haß… Aber der Haß richtet sich nicht gegen Arnie. Es ist diese Kiste, diese Sch… Scheißkarre. Diese Hexe Christine.«
Zwei rote Flecken erblühten auf ihren Wangen. Ihre Augen wurden ganz schmal, die Mundwinkel zogen sich nach unten.
Ihr Gesicht war plötzlich nicht mehr schön, nicht einmal mehr hübsch; der Glanz auf ihren Zügen verwandelte sie in etwas, das häßlich und zugleich faszinierend und zwingend war.
Dennis konnte sich zum erstenmal vorstellen, was man unter einem grünäugigen weiblichen Monster verstand.
»Ich sage dir, was ich am liebsten hätte«, fuhr Leigh fort. »Ich wünsche mir, daß jemand seine kostbare Schlampe Christine eines Nachts aus Versehen auf den Autofriedhof bringt, wo auch die zu Schrott gefahrenen Schlitten nach den Rennen von Philly Plains landen.« Ihre Augen sprühten Gift. »Und dann wünsche ich mir, daß auf nächsten Morgen der große Kranwa-gen kommt und diese Schlampe hinüberträgt zur Rutsche in die Schrottpresse. Und dann wünsche ich mir noch, daß jemand auf den Knopf drückt und Christine von den Backen der Presse zerquetscht wird und unten wieder herauskommt als Metallwürfel von ungefähr einem Meter Kantenlänge. Dann wäre alles vorbei, nicht wahr?«
Dennis antwortete nicht, und schon eine Sekunde später konnte er förmlich sehen, wie das Monster sich wieder abwen-dete und sich mit eingeringeltem Schuppenschwanz aus ihrem Gesicht fortstahl. Ihre Schultern sackten nach unten.
»Das hört sich wohl ziemlich scheußlich an, nicht wahr? Als hätte ich mir gewünscht, daß diese Verbrecher ihren Job gründlicher hätten machen müssen.«
»Ich verstehe sehr gut, wie dir zumute ist.«
»Tatsächlich?« erwiderte sie herausfordernd.
Dennis mußte an Arnie denken, wie er mit beiden Fäusten auf sein Armaturenbrett losgeschlagen hatte. Dieses Glitzern, das Irrlicht des Jähzorns in seinen Augen, wenn Arnie sich in Christines Nähe befand. Er dachte daran, wie er selbst hinter dem Lenkrad in LeBays Garage gesessen hatte und was für Visionen ihn dabei überwältigt hatten.
Und zuletzt dachte er an seinen Traum. Scheinwerfer, die auf ihn zurasten, durchdrehende Reifen mit der schrillen Stimme einer Frau.
»Ja«, sagte er, »ich glaube, ich weiß es.«
Sie sahen sich in die Augen.
29 Erntedankfest
Two-three hours passed us by,
Altitude dropped to 505,
Fuel consumption way too thin,
Let’s get home before we run out of gas.
Now you am’t catch me -
No, baby, you can’t catch me -
‘Cause if you get too dose,
I’m gone like a cooool breeze.
- Chuck Berry
Im Krankenhaus wurde das Erntedankfest-Dinner schichtweise von elf bis dreizehn Uhr serviert. Dennis bekam sein Festmenü um viertel nach zwölf: drei dünne Scheiben gebratener Trut-hahnbrust, ein sorgfältig abgemessenes Schälchen mit Bratensoße, eine Portion Kartoffelpüree von der Größe eines Baseballs (es fehlten nur die roten Nähte, dachte er säuerlich), dazu eine Portion Gemüse in gleicher Größe und Form (es war ein tiefge-frorener Mischmasch, der häßlich orange leuchtete) und ein kleines Plastikdöschen voll Preiselbeergelee. Zum Dessert gab es Eiscreme. In der Ecke eines Tabletts lag eine kleine blaue Karte.
Da Dennis sich inzwischen im Krankenhaus auskannte -
sobald man sich erst einmal den Hintern im Bett wundgelegen hat, ist man mit den Verfahrensweisen eines Krankenhauses besser vertraut, als man es je sein wollte -, fragte er die Hilfskraft, die das Geschirr abräumte, wie denn das Festmenü der gelben und roten Kärtchen ausgesehen hätte. Es stellte sich heraus, daß die gelben Karten nur zwei Scheibchen Truthahn-brust, keine Bratensoße, Salzkartoffeln statt Püree und Gelee-pudding als Nachtisch serviert bekommen hatten. Die roten Karten bekamen nur eine Scheibe weißes Brustfleisch, püriert, und eine Kartoffel. Die meisten mußten gefüttert werden.
Dennis fand das alles ziemlich deprimierend. Es war ganz leicht, sich vorzustellen, wie seine Mutter so gegen vier Uhr nachmittags den großen gebratenen Mastkapaun ins Eßzimmer trug, während sein Vater das Vorschneidemesser schärfte und seine Schwester, eine rote Samtschleife im Haar und mit vor Aufregung festlich geröteten Wangen, jedem am Tisch ein Glas guten Rotweins eingoß. Es war leicht, sich die herrlichen Düfte vorzustellen, und wie vergnügt sie waren.
Es war leicht, sich das alles vorzustellen…
Tatsächlich war es für
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