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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Dennis das deprimierendste Erntedankfest seines Lebens. Er schlief, für ihn ganz ungewöhnlich, gleich nach dem Essen ein (wegen des Feiertags gab es keine Gymnastik), und träumte von Pflegern, die Truthahn-Innereien auf die Herz-Lungen-Maschine klatschten.
    Mutter, Vater und Schwester waren morgens für eine Stunde zu Besuch gekommen, und zum erstenmal hatte er bei EUie eine gewisse Ungeduld bemerkt, so rasch wie möglich wegzu-kommen.
    Die Familie war von den Callisons zu einem Erntedankfest-Brunch eingeladen, und Lou Callison, einer von drei Callison-Brüdern, war vierzehn und »dufte«. Ihr in Gips verschalter Bruder war langweilig geworden. Die Ärzte hatten keine seltene, tödliche Krebsgeschwulst in seinem Knochenmark entdeckt. Er würde nicht für den Rest seines Lebens gelähmt bleiben. Bruder Dennis war kein Stoff für den Film-der-Woche.
    So gegen halb eins hatte ihn die Familie von den Callisons aus angerufen, und sein Vater hatte ein bißchen beschwipst geklungen - Dennis vermutete, daß er bei seinem zweiten
    »Bloody Mary« war, sich nun die mißbilligenden Blicke seiner Ehegefährtin gefallen lassen mußte. Dennis hatte gerade sein diätgeprüftes Blaue-Karte-Festmenü verzehrt - das erste Erntedankfestessen, das er in fünfzehn Minuten verdrückt hatte -, und er schaffte es, fröhlich zu klingen, weil er ihnen nicht die gute Laune verderben wollte. Ellie kam auch kurz an den Apparat und hörte sich lustig und ausgelassen an. Vielleicht war es dieser kurze Dialog mit Ellie, der ihn so erschöpft hatte, daß er einen Mittagsschlaf benötigte.
    Gegen zwei Uhr nachmittags war er eingeschlummert (was ihm diesen unangenehmen Traum einbrachte). Es war ungewöhnlich still im Krankenhaus an diesem Nachmittag, da nur eine Notbesatzung arbeitete. Selbst die übliche Geräuschkulisse der Transistorradios und der Fernsehgeräte in den anderen Krankenzimmern war heute gedämpft. Die Hilfskraft, die das Tablett abräumte, sah ihn mit einem strahlenden Lächeln an und sagte, sie hoffe, sein »Spezial-Menü« habe ihm geschmeckt. Dennis versicherte ihr das. Schließlich war heute ein Feiertag, an dem man sich beim Schöpfer für das tägliche Brot bedankte und nicht am Essen herummäkeln sollte.
    Und dann träumte er, und der Traum wurde von einem tieferen oder gesichtslosen Schlaf abgelöst, und als er aufwachte, war es kurz vor fünf, und Arnie Cunningham saß auf dem harten Plastikstuhl, auf dem gestern sein Mädchen gesessen hatte.
    Dennis war nicht allzu überrascht, ihn zu sehen; er glaubte, es sei ein neuer Traum.
    »Hi, Arnie«, sagte er. »Wie geht’s denn so?«
    »Es geht ganz gut«, erwiderte Arnie, »aber du siehst noch verschlafen aus, Dennis. Willst du ein paar Kopfnüsse? Die machen dich wach.«
    Arnie hatte eine große braune Tasche auf den Knien, und Dennis dachte schlaftrunken: Da ist ja sein Lunchpaket! Vielleicht ist Repperton doch nicht so heftig darauf rumgetrampelt. Er versuchte, sich im Bett aufzusetzen, spürte einen stechenden Schmerz im Rücken und drückte auf einen Knopf der Steuer-konsole. Ein Motor summte, und dann befand er sich in einer halbwegs sitzenden Position. »Himmel, du bist es tatsächlich!«
    »Wen hast du erwartet? Ghidrah, das dreiköpfige Monster?«
    fragte Arnie freundlich.
    »Ich habe geschlafen. Ich dachte, ich sähe dich im Schlaf.«
    Dennis rieb sich die Stirn, als könne er damit den Schlaf aus seinem Schädel herausradieren. »Ein gutes Erntedankfest, Arnie.«
    »Klar doch«, erwiderte Arnie, »gleichfalls. Haben sie dich schon mit Truthahn und Füllung gefüttert?«
    Dennis lachte. »Ich bekam etwas, das so aussah wie die Mahlzeiten, die Ellie mit sieben in ihrem Spielzeug-Drugstore verkaufte - erinnerst du dich noch?«
    Arnie hielt sich die Hand vor den Mund und gab ein paar rülpsende Geräusche von sich. »Ich erinnere mich. Was für ein Fraß.«
    »Ich bin ehrlich froh, daß du gekommen bist«, sagte Dennis, und einen Moment lang war er den Tränen gefährlich nahe.

    Vielleicht war ihm erst jetzt bewußt, wie deprimiert er eigentlich war.
    Er verdoppelte seine Entschlossenheit, Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Wenn er die Weihnachtsfeiertage hier verbringen mußte, würde er vermutlich Selbstmord begehen.
    »Hat dich denn deine Familie nicht besucht?«
    »Klar haben sie das«, erwiderte Dennis, »und sie werden heute abend noch einmal hereinschauen. Mom und Dad jedenfalls - aber es ist trotzdem nicht das Wahre, verstehst du?«
    »Ja. Ich habe etwas

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