Dokument1
mitgebracht. Der Lady unten habe ich gesagt, es wäre dein Bademantel.« Arnie gluckste.
»Was ist denn nun wirklich darin?« fragte Dennis und deutete auf die Tasche.
Es war keine Tüte, sondern eine Einkaufstasche.
»Oh, ich hab’ den Kühlschrank geplündert, nachdem wir den Vogel verspeist hatten«, sagte Arnie. »Mom und Dad sind unterwegs zu Freunden von der Universität - das machen sie jedes Jahr am Erntedankfest. Vor acht kommen sie nicht zu-rück.«
Während er redete, packte er die Tasche aus. Dennis sah ihm mit großen Augen dabei zu. Zwei Zinnkerzenhalter. Zwei Kerzen. Arnie zwängte die Kerzen in die Halter und zündete sie dann mit einem Streichholz aus einem Briefchen mit dem Reklameaufdruck »Darnells Werkstättenbetriebe« an. Als die Kerzen brannten, schaltete er das Deckenlicht aus. Dann kramte er vier Sandwiches heraus, die ungeschickt in Butter-brotpapier eingewickelt waren.
»Soweit ich mich erinnern kann«, sagte Arnie, »hast du immer gesagt, ein mit kaltem Truthahn belegtes Brötchen nachts um halb zwölf wäre dir lieber als das ganze Festessen.
Weil der ganze Druck weg ist.«
»Ja«, sagte Dennis. »Sandwiches vor dem Fernseher. Carson oder irgendeine alte Klamotte. Aber ehrlich, Arnie, du hättest dir nicht solche Mühe…«
»Oh, Shit, es ist jetzt fast drei Wochen her, seit ich dich zum letztenmal besucht habe. Ich hatte Glück, daß du geschlafen hast, als ich hereinkam, sonst hättest du mich vermutlich erschossen.« Er klopfte mit dem Knöchel des Zeigefingers auf die beiden belegten Brötchen, die er für Dennis mitgebracht hatte. »Dein Lieblingsessen, glaube ich. Weißes Fleisch und Mayo auf Wonder-Brot.«
Das brachte Dennis zum Kichern, dann zum Lachen und schließlich zum Wiehern. Arnie sah, daß Dennis’ Rücken schmerzte, aber er konnte nicht aufhören. Wonder-Brot gehörte zu den großen gemeinsamen Geheimnissen ihrer Kindheit. Beide Mütter nahmen Brot oder Brotsorten sehr ernst; Regina kaufte Diätbrot, nur hin und wieder erlaubte sie sich und der Familie ein Land- oder Roggenbrot. Dennis’ Mutter bevorzugte Schwarzbrot und Pumpernickel. Arnie und Dennis aßen, was man ihnen gab - aber beide waren heimliche Fanati-ker von Wonder Bread, und mehr als einmal warfen sie ihr Taschengeld zusammen und kauften sich statt Süßigkeiten das geliebte Toastbrot und ein Glas voll von französischem Senf.
Dann verkrochen sie sich in Arnies Garage (oder in Dennis’
Baumhaus, das leider vor fast neun Jahren von einem Orkan vernichtet worden war), knabberten ihre Senf-Toasts und lasen Richie-Rich-Comic-Hefte, bis das ganze Brot aufgezehrt war.
Arnie stimmte in das Gelächter seines Freundes ein, und das war für Dennis das Beste am diesjährigen Erntedankfest.
Dennis hatte zehn Tage lang das Krankenzimmer für sich, weil nach dem letzten Entlassenen noch kein neuer Patient gekommen war. Arnie schloß die Tür, bevor er ein Sechserpack Busch-Bier aus der braunen Tasche hervorholte.
»Die Wunder hören niemals auf«, sagte Dennis.
»Nein«, pflichtete ihm Arnie bei, »sie werden niemals aufhö-
ren.« Er prostete Dennis über die Kerzen hinweg mit einer Bierflasche zu. »Prosit.«
»Daß du ewig lebst«, gab Dennis zurück. Und dann tranken sie beide aus ihren Flaschen.
Nachdem sie ihre dickbelegten Truthahn-Sandwiches verzehrt hatten, holte Arnie noch zwei Frischhaltedosen aus der Tiefe seiner schier unerschöpflichen Tasche und löste die Dek-kel mit dem Daumennagel. Zwei Stück hausgebackene Apfel-torte kamen zum Vorschein.
»Nein, Mann, ich kann nicht mehr«, protestierte Dennis.
»Ich platze.«
»Essen«, kommandierte Arnie.
»Ich kann tatsächlich nicht mehr«, sagte Dennis, nahm die Dose und eine Plastikgabel. Er aß die Torte mit vier gewaltigen Bissen und rülpste. Dann trank er den Rest aus der zweiten Bierflasche aus und rülpste wieder. »In Portugal ist das ein Kompliment für den Koch«, sagte er. Sein Kopf summte angenehm, als das Bier zu wirken begann.
»Ich glaube dir aufs Wort«, antwortete Arnie grinsend. Er stand auf, schaltete das Licht wieder an und blies die Kerzen aus. Dauerregen trommelte gegen die Fenster; es sah nach Kälte aus und hörte sich auch so an. Mit dem Erlöschen der Kerzen- verflog für Dennis ein Teil des warmen, belebenden Geistes ihrer Freundschaft und die kurze Freude dieses Festtages.
»Morgen werde ich dich verwünschen«, sagte Dennis.
»Wahrscheinlich sitze ich eine Stunde lang auf dem Klo. Und dabei schmerzt mein
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