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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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verkraftete. Fragte sich, ob er okay war.
    Der Wind wuchs draußen zu einem brausenden Heulen, sank dann wieder zu einem Säuseln ab, was sie - grundlos natürlich - an den Motor eines Wagens denken ließ, der zwischen Stand- und Vollgas hin- und herpendelte.
    Diesmal kriegt er die Kurve nicht mehr, flüsterte es in ihrem Verstand, (natürlich) vollkommen grundlos, und sie ging zum Ausguß und kippte die angebrochene Coladose hinein. Ob sie gleich weinte? Oder sich übergeben mußte? Oder beides?
    Mit einer leisen Überraschung stellte sie fest, daß sie sich im Zustand beginnender Panik befand.
    Ohne jeden Grund.
    Natürlich.
    Wenigstens waren ihre Eltern so einsichtig gewesen, den Wagen in der Garage zu lassen (Autos - in letzter Zeit hatte sie nur noch Autos im Kopf). Es war ihr gar nicht wohl bei dem Gedanken, daß ihr Vater, angesäuselt von drei oder vier Marti-nis (die er in angetrunkenem Zustand stets zu verniedlichen pflegte, indem er sie »Bambinis« nannte) in den Wagen stieg und bei diesem Weiter nach Hause fuhr. Die Stewarts wohnten nur drei Blocks entfernt, und die beiden hatten dick vermummt und kichernd das Haus verlassen wie zwei große Kinder, die in Nachbars Garten einen Schneemann bauen wollten. Der Spaziergang würde ihnen gut tun. Er würde ihnen gut tun, wenn…
    Der Wind schwoll an - tobte heulend an der Dachrinne entlang und ließ dann wieder nach - und plötzlich sah sie ihre Mutter und ihren Vater durch Wolken aufgewirbelten Schnees die Straße entlangstapfen, sich lachend gegenseitig stützend, damit sie in ihrem angetrunkenen Zustand nicht auf ihren liebenswerten Hintern fielen. Daddy würde Mom durch die strammsitzende Skihose zwicken. Scherze dieser Art, auf die ihr Dad in angetrunkenem Zustand verfiel, waren für Leigh stets ein Ärgernis gewesen, weil sie ihr kindisch vorkamen - so ganz und gar unpassend für einen erwachsenen Mann. Aber selbstverständlich liebte sie sie beide. Ihre Liebe war ein Bestandteil ihrer Gereiztheit, und wenn sie sich gelegentlich über die beiden ärgerte, war das Teil ihrer Liebe zu ihnen.
    Sie stapften gemeinsam durch das Schneegestöber, das so dick war wie fetter weißer Rauch, und da öffneten sich plötzlich in dem Flockenwirbel zwei riesige grüne Augen, schienen im weißen Dunst zu schweben - Augen, die so schrecklich aussahen wie die kreisrunden Gläser der Meßanzeigen auf dem Armaturenbrett des Fury, die sie beobachtet hatten, als sie fast erstickt wäre… und sie wurden immer größer, lauerten ihren hilflosen, lachenden und beschwipsten Eltern auf…
    Sie sog heftig den Atem ein und ging ins Wohnzimmer zurück.
    Sie näherte sich dem Telefon, streckte die Hand aus, zuckte zurück und ging zum Fenster, sah hinaus in den weißen Flockenwirbel, die Ellenbogen in die Innenflächen ihrer Hände gestützt.
    Was hatte sie denn gerade tun wollen? Ihre Eltern anrufen?
    Um ihnen zu sagen, daß sie allein im Haus wäre und ihr dabei Arnies leisetreterischer Oldtimer in den Sinn gekommen wäre, Arnies rachsüchtige stählerne Freundin Christine, und daß sie sie beide dringend bäte, doch sogleich nach Hause zu kommen, weil sie sich Sorgen machte ihretwegen und um sich selbst?
    War es das, was sie soeben hatte tun wollen?
    Du bist ein kleines Gänschen, Leigh.

    Die schwarze Asphaltdecke der Straße wurde vom Neuschnee langsam wieder zugedeckt; es kam jetzt dick vom Himmel herunter, und gelegentlich versuchte eine Windbö, die Fahrbahn wieder vom Neuschnee zu säubern, wirbelte Tücher aus weißem Puder auf, die sich zusammenfalteten oder über den Dächern bauschten, und dort schienen sie sich am eisgrauen Nachmittagshimmel zu einem Reigentanz der Schneegeister zu vereinigen…
    Oh, das waren alles keine törichten Hirngespinste; sie wußte, daß irgend etwas heute passieren würde. Sie war von der Nachricht schockiert gewesen, daß Arnie wegen des Schmuggeins unversteuerter Zigaretten verhaftet worden war; aber längst nicht so schockiert wie vor einigen Tagen, als sie die Zeitung aufgeschlagen und gelesen hatte, was mit Buddy Repperton und den beiden Jungen in seiner Beglei-tung passiert war. An jenem Tag war ihr erster verrückter, schrecklicher und irgendwie sicherer Gedanke gewesen: Christine.
    Nun hing die Ahnung einer neuen Untat wie eine dunkle Wolke über ihr, und sie konnte diesen bedrückenden Gedanken nicht loswerden, so verrückt er auch war, denn Arnie war die ganze Zeit in Philadelphia bei einer Schach-Meisterschaft gewesen - sie hatte

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