Dokument1
jugendlichen Automobilisten in Libertyville haßte, hinderte ihn das nicht daran, mit ihnen Handel zu treiben oder sie zu begaunern.
»Ich weiß«, brüllte Arnie über das Gedröhn des Achtzylin-ders hinweg, »aber es soll nur ein Notbehelf sein für ein, zwei Wochen, bis ich eine billigere Garage finde. Ich kann den Schlitten in diesem Zustand unmöglich zu Hause vorzeigen.
Daddy und Mom bekämen Schreikrämpfe!«
Ja, damit mußte er rechnen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen - vielleicht um ihn noch einmal zu bitten, diesen Wahnsinn aufzugeben, bevor er ihm über den Kopf wuchs.
Doch dann klappte ich den Mund wieder zu. Der Kauf ließ sich jetzt nicht mehr rückgängig machen. Zudem fühlte ich mich stimmlich den knatternden Geräuschen des verrosteten Auspufftopfs nicht mehr gewachsen und hatte auch schon genü-
gend monoxydgeschwängerte Luft eingeatmet.
»Also gut«, sagte ich. »Ich fahre hinter dir her.«
»In Ordnung«, erwiderte er grinsend. »Ich fahre über die Walnut Street und Basin Crescent. Die Hauptstraße wäre zu riskant.«
»Okay.«
»Vielen Dank für alles, Dennis.«
Er schob den Hebel des automatischen Getriebes auf F, was der Plymouth mit einem kleinen Satz beantwortete. Fast hätte er sich dann rüttelnd selbst wieder abgewürgt, wenn Arnie nicht ein wenig mit dem Gaspedal gespielt hätte, bis Christine den Erstickungsanfall überwand. Dann kroch der Plymouth über LeBays Einfahrt auf die Straße zu. Als Arnie vor dem Bürgersteig abbremste, leuchtete hinten nur ein rotes Licht auf, und mein kleiner Buchhalter im Gehirn rechnete sofort fünf Dollar hinzu.
Arnie kurbelte das Lenkrad nach links und bog in die Straße ein. Was von dem Auspufftopf noch übrig war, ratterte wie eine Konservenbüchse über die Bordsteinschwelle. Arnie gab mehr Gas, und der Schlitten röhrte auf. Die Leute auf der anderen Straßenseite beugten sich über die Geländer ihrer Veranden oder kamen an die Türen, um nachzusehen, was los war.
Schnaubend und fauchend rollte Christine mit einer Geschwindigkeit von zehn Meilen pro Stunde die Straße hinunter, große blaue, nach verbranntem öl stinkende Rauchschwaden ausstoßend, die sich wie eine Dunstglocke über der Straße ausbreiteten und das sanfte, klare Gold der Abendstimmung vergifteten.
Am Stoppschild, vierzig Meter weiter, streikte der Motor. Ein Junge auf einer Raleigh überholte das Monster. Ich hörte, wie er mit heller, vorlauter Stimme zu Arnie sagte: »Wenn Sie zur Müllkippe wollen, Mister, müssen Sie rechts abbiegen!«
Arnie drohte ihm erst mit der Faust und zeigte ihm dann, die Hand zur Stirn führend, auch noch den Vogel. Wieder eine Premiere. Meines Wissens hatte Arnie bisher noch niemandem den Vogel gezeigt.
Der Anlasser drehte sich kreischend, der Motor spuckte, und dann fing er sich wieder. Aber diesmal erst nach einer ganzen Serie von knatternden Fehlzündungen. Es hörte sich an, als hätte ein Heckenschütze in Laurel Drive, Libertyville, mit einem Maschinengewehr das Feuer eröffnet. Ich stöhnte auf.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis jemand die Polizei rief und sich über die öffentliche Ruhestörung beschwerte. Und dann hatten sie Arnie beim Wickel, weil er einen nicht zugelas-senen, nicht verkehrssicheren Wagen fuhr - was beides viel schwerer wog als die Ruhestörung, die man natürlich auch noch oben draufpackte. Das würde seine Situation zu Hause kaum erleichtern.
Noch ein letzter, heftiger Knall an der Kreuzung, so ohrenbetäubend wie ein Granatwerfereinschlag, und dann bog der Plymouth nach links in die Martin Street ein, von der nach einer Meile die Walnut Street abzweigte. Am westlichen Horizont eine rotgoldene Flut, ein letzter Abendgruß der scheiden-den Sonne. Ich sah, daß Arnies linker angewinkelter Arm fast bis zur Achsel aus dem heruntergekurbelten Fenster ragte.
Ich wandte mich LeBay zu und wollte die Wut, die sich in mir aufstaute, an ihm auslassen. Ich hätte ihn zermalmen können, so geladen war ich. Doch was ich sah, wirkte auf mich wie eine kalte Dusche.
Roland D. LeBay weinte.
Es war schrecklich, grotesk und - am meisten noch - mitleid-erregend. Als ich neun Jahre alt war, fanden wir eine Katze, die wir Captain Rinderherz tauften, und eines Tages wurde sie vor unserer Tür vom Paketzusteller überfahren. Wir brachten den Kater sofort zum Tierarzt - meine Mutter mußte langsam fahren, weil sie vor lauter Tränen kaum sehen konnte -, und ich saß im Fond, hielt Captain Rinderherz, den wir in
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