Dokument1
Domino-Theorie. Zumindest war es so geplant. Da gab es einen Typ namens Henry Bück. Dieser Bück sollte mich belasten. Ich sollte wiederum Will belasten. Und dann - jetzt kommen wir schon zum großen Roulette - hätte Will seinen Kopf wieder aus der Schlinge ziehen müssen, indem er die Leute unten im Süden belastete, die ihm den Koks, die Feuerwerkskörper, die Zigaretten und den unverzollten Whisky ver-kauften. Das waren die Leute, hinter denen Jun… die Cops eigentlich her waren. Besonders die Kolumbianer.«
»Und du glaubst, sie haben Darnell umgebracht?«
Er blickte mich ausdruckslos an. »Die oder die Südstaaten-Mafia. Wer sonst?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nun«, sagte er, »trinken wir noch ein Bier. Anschließend bringe ich dich nach Hause. Mir hat es gefallen, Dennis. Wirklich.«
Das klang sogar ehrlich, aber Arnie hätte nie eine so bescheu-erte Bemerkung gemacht wie >mir hat es gefallen, ehrlich<.
Nicht der alte Arnie.
»Ja, mir auch, Mann.«
Ich wollte kein Bier mehr, nahm aber trotzdem noch eine Dose. Ich wollte den unvermeidlichen Augenblick, in dem ich in Christine steigen mußte, so lange wie möglich hinausschieben. Am Nachmittag war mir das noch als notwendiger Schritt erschienen - selbst die Atmosphäre des Wagens zu erkunden … wenn es in diesem Wagen überhaupt eine Atmosphäre zu erkunden gab. Jetzt kam es mir verrückt und gefährlich vor.
Ich spürte das Geheimnis, was sich zwischen Leigh und mir entwickelte, wie ein großes, zerbrechliches Ei in meinem Kopf.
Sag mir, Christine, kannst du Gedanken lesen?
Ich spürte, wie ein verrücktes Lachen in meiner Kehle aufstieg, und ertränkte es rasch mit einem Schluck Bier.
»Hör zu«, sagte ich, »ich kann meinen Dad anrufen, damit er mich abholt, wenn du willst, Arnie, er ist noch auf.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, erwiderte Arnie. »Ich könnte zwei Meilen weit auf einem geraden Strich gehen.«
»Ich dachte nur…«
»Ich wette, du kannst es gar nicht erwarten, bis du wieder mit deinem Auto fahren kannst, nicht wahr?«
»Yeah, da hast du recht.«
»Es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als hinter dem Lenkrad seines Wagens zu sitzen«, sagte Arnie, und dann schob er das linke Augenlid nach unten wie ein geiler alter Bock. »Abgesehen vielleicht vcfn einer Muschi.«
Der Zeitpunkt war da. Arnie schaltete den Fernseher ab, und ich humpelte auf den Krücken in die Küche, quälte mich in meinen alten Skiparka und hoffte, daß Michael und Regina in diesem Moment von ihrer Silvesterparty heimkämen und die Dinge noch ein bißchen hinauszögerten - vielleicht zählte Michael sogar die leeren Bierbüchsen oder roch den Alkohol in Arnies Atem und bot sich mir als Chauffeur an. Die Erinnerung an den Nachmittag, als ich mich hinter Christines Lenkrad setzte, während Arnie mit LeBay in dessen Haus war und mit dem alten Hundesohn verhandelte, hatte ich nur allzu deutlich in meinem Gedächtnis.
Arnie hatte zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank geholt -
»für unterwegs«, sagte er. Ich überlegte, ob ich ihn darauf aufmerksam machen sollte, wie gefährlich es in seiner Lage wäre, in eine Verkehrskontrolle zu geraten. Er war nur gegen Kaution auf freiem Fuß und würde schneller im Gefängnis landen, als er piep sagen konnte. Dann beschloß ich, doch lieber meinen Mund zu halten. Wir gingen hinaus.
Der erste Morgen des neuen Jahres war glasklar und klirrend kalt. Es war die Art von Kälte, die einem den Atem in den Nasenlöchern einfrieren ließ. Die Schneehaufen am Rand der Einfahrt glitzerten wie Milliarden von Diamantkristallen. Und dort stand Christine, ihre schwarzen Fenster vereist. Ich starrte sie an. Die Mafia, hatte Arnie gesagt. Die Südstaaten-Mafia oder die Kolumbianer. Eine bombastische, aber durchaus mögliche Erklä-
rung. Aber die Mafia erschoß ihre Opfer, warf sie aus dem Fenster oder erdrosselte sie. AI Capone soll angeblich einen armen Teufel sogar mit einem mit Blei ausgegossenen Baseballschläger beseitigt haben. Aber einen Wagen durch einen Vorgarten lenken und durch die Seitenwand des Hauses ins Wohnzimmer rasen?
Die Kolumbianer, vielleicht. Arnie sagt, die Kolumbianer seien verrückt. Aber so verrückt? Das bezweifelte ich.
Sie glitzerte im Licht vom Haus und von den Sternen - und wenn sie es nun gewesen war? Und was passierte, wenn sie herausfand, daß Leigh und ich Verdacht geschöpft hatten?
Schlimmer noch - was passierte, wenn sie herausfand, daß wir beide herumgeschmust hatten?
»Soll
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