Dokument1
sie dich danach fragt. Wann ich es will. Nicht in diesem Jahr. Ganz bestimmt nicht. Wenn sie glaubt, daß ich mich in Pitt oder Horlicks oder Rutgers immatrikulieren lasse, wo die Neuzugänge mit einem Käppchen herumlaufen und bei den Heimspielen der Fußballmannschaft den Balljungen machen müssen, muß sie verrückt geworden sein. Nicht nach dem Scheißspiel, das sie in diesem Jahr mit mir veranstaltet hat.
Niemals, Mann.«
»Was hast du denn nun wirklich vor?«
»Ich verdünnisiere mich«, sagte er. »Ich steige in Christine, und dann ziehen wir los, raus aus dieser großartigen Stadt, verstehst du?« Seine Stimme wurde laut, dann schrill, und ich spürte, wie das Entsetzen wieder über mich hinwegspülte. Ich war hilflos gegen diese weibische Angst und konnte nur hoffen, daß sie sich nicht auf meinem Gesicht zeigte. Denn nun war es nicht bloß LeBays Stimme, sondern sogar noch LeBays Gesicht, das unter Arnies Zügen schwamm wie irgendein totes, in Formalin konserviertes Ding. »Dieses Jahr habe ich hier nur Scheiße erlebt, und ich glaube, daß dieser gottverdammte Junkins immer noch mit Volldampf hinter mir her ist. Und er sollte besser aufpassen, oder jemand könnte ihm mit Volldampf auf die Füße treten …«
»Wer ist Junkins?« erkundigte ich mich.
»Ach«, sagte er, »vergiß es. Es ist nicht so wichtig.« Hinter ihm begann das Wesson-Öl im Topf zu sieden. Ein Maiskorn platzte - ponk! - und prallte gegen den Deckel. »Ich muß den Mais rühren, Dennis. Möchtest du auf etwas anstoßen oder nicht? Mir ist es egal.«
»Gut«, erwiderte ich. »Wie wäre es mit uns?«
Er lächelte, und der eiserne Ring um meine Brust lockerte sich ein wenig. »Auf uns beide, ja, das ist ein guter Toast, Dennis. Auf uns beide. Darauf trinken wir, ja?«
»Darauf trinken wir«, wiederholte ich, und meine Stimme wurde ein wenig heiser. »Ja, auf uns beide.«
Wir stießen mit den Bierdosen an und tranken.
Arnie ging dann zum Herd, um den Topf, in dem der Mais immer lauter rumorte, hin- und herzuschütteln. Ich ließ ein paar Schlucke Bier meine Kehle hinunterrinnen. Bier war für mich noch ein ziemlich neues Getränk, ich hatte mich noch nie damit betrunken, weil es mir schmeckte und weil Freunde -
allen voran Lenny Barongg - mich gewarnt hatten, wenn ich erst mal mit vollgekotztem Hemd und grünem Gesicht durch die Gegend taumelte und alle paar Schritte hinfiel, daß ich das Zeug ein paar Wochen lang nicht einmal mehr riechen könnte.
Leider habe ich inzwischen feststellen müssen, daß dies nicht so ganz stimmt.
Arnie jedoch schüttete das Bier in sich hinein, als würde am ersten Januar die Prohibition wieder eingeführt. Er hatte seine erste Dose leer, ehe der Mais zu knallen aufgehört hatte. Er zerknüllte die leere Dose, blinzelte mir zu und sagte: »Paß auf, wie ich das Ding dem kleinen Tramp in den Hintern jage, Dennis.« Ich begriff nicht, wem diese Anspielung galt, also lächelte ich nur unverbindlich, während er die Bierdose in Richtung Abfalleimer schleuderte. Sie prallte von der Wand ab und landete im Eimer./
»Zwei Punkte«, sagte ich.
»Stimmt. Reichst du mir noch eine?«
Was soll’s, dachte ich, meine Eltern hatten vor, Silvester zu Hause zu bleiben, und wenn Arnie tatsächlich betrunken wäre und umkippte, brauchte ich nur meinen Vater anzurufen.
Arnie mochte im benebelten Zustand vielleicht Dinge sagen, die er nüchtern lieber für sich behielt; und ich wollte sowieso nicht in Christine nach Hause fahren.
Aber das Bier schien überhaupt keine Wirkung auf ihn zu haben. Er beendete die Popcorn-Produktion und schüttete die geplatzten Maiskörner in eine große Plastikschüssel. Er ließ einen halben Würfel Margarine in der Pfanne aus, gab das flüssige Fett über das Popcorn, streute Salz darüber und sagte:
»Gehen wir ins Wohnzimmer und schalten die Glotze ein. Was meinst du?«
»Soll mir recht sein.« Ich nahm meine Krücken, schob sie in meine Achselhöhlen - ich hatte das Gefühl, als bekäme ich dort Schwielen - und griff nach den drei Bierbüchsen auf dem Küchentisch.
»Die hole ich gleich«, sagte Arnie. »Komm schon. Ehe du dir wieder alles mögliche brichst.« Er lächelte mich an, und in diesem Moment war er niemand anders als Arnie Cunningham, daß es mir fast das Herz brach, ihn so zu erleben.
Im Fernsehen gab es ein lustiges Silvesterprogramm. Donny und Marie Osmond sangen im Duett, zeigten ihre riesigen weißen Zähne in einem Haifischgrinsen. Wir ließen den Fernseher
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