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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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ich dir die Treppe hinunterhelfen, Dennis?« fragte Arnie und schreckte mich aus meinen Gedanken.

    »Nein, das schaffe ich. Aber unten auf dem Weg kannst du mir helfen.«
    »Kein Problem, Mann.«
    Die Krücken in der einen Hand, die andere Hand am Geländer, ging ich seitwärts die Treppe hinunter. Auf dem Platten-weg stützte ich mich wieder auf die Krücken, machte ein paar Schritte und rutschte aus. Ein dumpfer Schmerz wogte mein linkes Bein hoch, es war noch keinen Pfifferling wert. Arnie fing mich auf.
    »Vielen Dank«, sagte ich, dankbar für den Grund, mit zittriger Stimme zu sprechen.
    »Keine Ursache.«
    Wir kamen zum Wagen, und Arnie fragte, ob ich auch ohne seine Hilfe einsteigen könnte. Ich sagte, ich könnte es. Er ließ mich an der Beifahrertür stehen und ging vorne an Christines Kühler vorbei zur Fahrerseite. Ich stützte mich mit einer Hand auf den Türgriff, und ein hoffnungsloses Gefühl der Angst und des Widerwillens überkam mich. Erst in diesem Augenblick fing ich an, fest daran zu glauben - tief innen, wo das Leben sitzt. Denn der Türgriff fühlte sich unter meiner Hand lebendig an. Er fühlte sich an wie eine lebendige, aber schlafende Bestie.
    Der Türgriff lag nicht wie verchromter Stahl in meiner Hand; gütiger Gott - er fühlte sich wie Haut an. Mir schien, als brauchte ich nur fest zuzudrücken, damit die Bestie brüllend erwachte.
    Bestie?
    Okay, was für eine Bestie?
    Ja, was eigentlich, irgendein Dämon? Ein ganz gewöhnlicher Wagen, der zur gefährlichen, stinkenden Behausung eines Dämons geworden war? Eine unheimliche Manifestation von LeBays harrender Persönlichkeit, ein Spukhaus auf Goodyear-Reifen? Ich wußte es nicht. Ich wußte nur, daß ich entsetzliche Angst hatte. Ich war nicht sicher, ob ich das durchstand.
    »He, alles in Ordnung? Schaffst du es?« fragte Arnie.
    »Ich schaffe es«, erwiderte ich heiser und drückte den Daumen auf den Türknopf. Ich öffnete die Tür, drehte mich mit dem Rücken zum Sitz und ließ mich fallen, mein linkes Bein steif weggestreckf. Ich umfaßte mein Bein und schwenkte es herein. Es war, als ob man ein Möbelstück verstaut. Mein Herz arbeitete in meiner Brust wie ein Preßlufthammer. Ich zog die Tür zu.
    Arnie drehte den Zündschlüssel, und der Motor sprang sofort an - als wäre er heiß und nicht eiskalt. Und dann überfiel mich dieser Geruch. Er schien aus allen Richtungen zu kommen, doch vor allem aus den Polstern: der süßliche, schwere, faulige Geruch nach Tod und Verfall.
    Ich weiß nicht, wie ich Ihnen diese Heimfahrt schildern soll, diese Drei-Meilen-Fahrt, die nicht länger als zehn oder zwölf Minuten dauerte, ohne bei Ihnen den Eindruck eines aus dem Irrenhaus Entsprungenen zu hinterlassen. Es ist unmöglich, dabei objektiv zu bleiben; schon der Versuch läßt es mir kalt und heiß über den Rücken laufen, und ich fühle mich fiebrig und krank. Es gibt keine Möglichkeit zu unterscheiden, was wirklich war und was meine Phantasie hinzugedichtet haben könnte; es gibt keine Trennungslinie zwischen objektiver Wahrheit und subjektiver Sicht, zwischen Realität und grausiger Halluzination. Aber es war nicht Trunkenheit; das kann ich Ihnen versichern. Sollte ich etwas angesäuselt gewesen sein, so verflüchtigte sich dieser Zustand sofort. Was folgte, war ein stocknüchterner Trip durch das Land der Verdammten.
    Vor allem war es eine Fahrt zurück in die Vergangenheit.
    Zunächst war es gar nicht Arnie, der den Wagen lenkte; sondern LeBay, ein stinkendes, verrottetes Ding aus der Gruft, halb Skelett, halb verwesendes, schwammiges Fleisch mit grünspanüberzogenen Knöpfen. Maden wimmelten an seinem Kragen und krochen träge durch das faulende Fleisch. Ich konnte ein leises Summen hören und glaubte erst, es handelte sich um einen Kurzschluß in der Armaturenbeleuchtung. Erst später kam mir der Gedanke, es könnten vielleicht Fliegen sein, die in seinem Fleisch Eier ablegten. Zwar war es jetzt Winter; aber…
    Zuweilen schienen auch noch andere Leute mit uns im Wagen zu sitzen. Einmal blickte ich in den Rückspiegel und sah die wächserne Gestalt einer Frau im Fond, die mich mit den spiegelblanken glitzernden Augen einer Modepuppe anstarrte.
    Sie trug ihr Haar im Pagenschnitt der fünfziger Jahre. Für ihre Wangen schien sie mir ein wenig zu viel Rouge verwendet zu haben, bis mir einfiel, daß eine Kohlenstoffmonoxyd-Vergiftung der Haut eine kräftig rote Farbe verleiht. Und als ich später wieder in den Rückspiegel blickte,

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