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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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diese Urgewalt, mit der es aus ihm heraussprudelte, erschreckte mich. Ich hielt sofort am Bordstein an.
    »Arnie…«
    Und damit gab ich meine Bemühungen bereits wieder auf. Er mußte sich ausweinen. Die Tränen und Schluchzer kamen als schrille, bittere, hemmungslose Flut - Arnie hatte sein Quan-tum an Selbstbeherrschung total aufgebraucht. Zunächst schien es sich nur um eine Reaktion auf die erlittenen Unge-rechtigkeiten zu handeln. Ähnliches spürte ich ja selbst, nur bei mir schlug das alles auf den Magen und dann auf den Kopf, und ich hatte eine Migräne, die so gräßlich weh tat wie ein fauler Zahn.
    Ja, zuerst glaubte ich, das wäre nur eine Reaktion, eine spontane Erleichterung, und vielleicht war das anfangs auch so. Doch nach ein paar Minuten fing ich an zu begreifen, daß es diesmal mehr war, es ging viel tiefer. Und dann verstand ich auch, daß sein Schluchzen sich zu Silben und Worten zusammenfügte, die dann zu einer Flut von Sätzen anschwollen.
    »Denen zeige ich es!« ‘stammelte er, von einem Schluckauf unterbrochen. »Diesen Hundesöhnen werde ich es zeigen, Dennis, die werden eines Tages bereuen, was sie mir angetan haben, DAS
    SCHWÖRE ICH… ICH SCHWÖRE ES… ICH SCHWÖRE ES!«

    »Hör auf«, sagte ich erschrocken, »Arnie, werd jetzt nicht hysterisch!«
    Aber er wollte nicht aufhören. Er trommelte mit beiden Fäusten auf das gepolsterte Armaturenbrett meines Duster ein, daß ich schon fürchtete, alle Lichter würden ausgehen.
    »Ich zahle es ihnen heim! Du wirst es erleben!«
    Mit seinem verzerrten hageren Gesicht, das die Straßenla-terne mit einem gespenstisch violetten Licht übergoß, sah er zum Fürchten aus. In diesem Moment wirkte er wie ein Fremder auf mich; er kam mir vor wie ein Wesen von einem kalten, fernen Planeten, den der allgütige Gott für Leute wie ihn reserviert hielt. Ich verstand ihn nicht mehr. Ich wollte ihn auch nicht verstehen. Ich konnte nur hilflos daneben sitzen und hoffen, daß er wieder zu jenem Arnie wurde, mit dem ich befreundet war. Und nach einer Weile war er das auch wieder.
    Seine hysterischen Worte lösten sich abermals in Schluchzer auf. Es waren nur noch Tränen, nicht mehr die ätzende Säure seines Hasses. Doch selbst diese Geräusche waren noch schlimm genug - herzzerreißende, fast tierische Laute.
    Ich saß hinter dem Lenkrad meines Wagens und wußte nicht mehr, wie ich mich verhalten sollte. Ich wünschte mich weit fort von hier, in Thom McAns Schuhladen, um ein Paar neue Footballschuhe anzuprobieren, in den Supermarkt, um mir dort eine neue Kreditkarte ausstellen zu lassen, oder meinetwegen sogar in eine öffentliche Toilette mit Durchfall und ohne passende Münze. Irgendwo, Mann. Es brauchte nicht Monte Carlo zu sein. Ich wünschte, ich wäre älter. Wir beide, Arnie und ich.
    Aber mit solchen fruchtlosen Spekulationen war ihm nicht geholfen. Ich wußte, was ich zu tun hatte. Zögernd, ohne es zu wollen, rutschte ich jetzt zu ihm hinüber und legte den Arm um seine Schultern. Ich konnte sein fieberheißes Gesicht durch den Pullover hindurch spüren, und so saßen wir fünf Minuten lang stumm da. Dann brachte ich ihn nach Hause. Danach fuhr ich auch heim. Wir sprachen nie darüber, daß ich ihn damals so gehalten hatte. Niemand hatte uns so gesehen, und wenn, dann hätte man uns bestimmt für ein schwules Liebespaar gehalten. Ich saß da und hielt ihn fest und fragte mich still, weshalb ausgerechnet ich Arnie Cunninghams einziger Freund sein mußte, denn das können Sie mir glauben - in diesem Moment wollte ich nicht sein Freund sein.
    Irgendwie kam mir der verrückte Gedanke, daß Christine vielleicht meine Rolle übernehmen würde. Ich wußte nicht, ob mir diese Lösung besser gefiel, obwohl wir ihretwegen einen schlimmen Tag hinter uns hatten.
    Als ich neben der Einfahrt seines Hauses hielt, sagte ich: »Ist wieder alles in Ordnung mit dir, Mann?«
    Er brachte ein Lächeln zustande. »Ja, es geht«, sagte er traurig. »Weißt du, du solltest dir lieber eine andere Wohltätig-keitsorganisation aussuchen. Tierschutzverein, Club für Organ- oder Blutspender. Irgend so was.«
    »Ach, hau ab.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Wenn du meinst, daß du zu nahe am Wasser gebaut hast, erzählst du mir nichts Neues.«
    Das Licht in der Einfahrt flammte auf, und Michael und Regina stürzten heraus, vermutlich um nachzusehen, ob wir es waren oder ein Streifenwagen, der ihnen die traurige Botschaft überbringen sollte, daß ihr einziges Kind das

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