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langgestreckter, angerosteter Wellblechschuppen mit einem ölverschmierten Werbespruch auf dem Schild neben der Einfahrt: GELD SPAREN! IHR KNOW-HOW, UNSER WERKZEUG! Darunter war eine zweite kleinere Tafel angebracht: Garagenstellplätze kurz- und langfristig zu vermieten.
Der Autoschrottplatz befand sich unmittelbar hinter der Werkstatt, eine mit ein Meter achtzig hohen Wellblechen umfriedete Hügellandschaft aus rostigem Metall, die sich einen ganzen Häuserblock weit ausdehnte. Daß Darnell diesen Schandfleck umbaut hatte, war seine Verbeugung vor der städtischen Baubehörde; daß er ihn so schäbig umbauen konnte, war darauf zurückzuführen, daß zwei der drei Mitglieder des städtischen Bauausschusses mit Will Darnell befreundet waren, und überhaupt kannte er praktisch jeden, der in Libertyville etwas zu sagen hatte. Er gehörte zu diesen fixen, dynamischen Geschäftsleuten, die man in fast allen Gemeinden überschauba-rer Größe findet, wo man dank persönlicher Beziehungen eine Menge hinter den Kulissen bewegen kann.
Ich hatte gehört, daß Darnell an dem Drogenhandel in der Libertyville High School und Darby Junior High School beteiligt war, und ich hatte auch gehört, daß er einen ganz guten Draht zu den Mafiabossen in Pittsburgh und Philly hatte. Ich glaubte diesen Gerüchten nicht - oder wollte sie nicht glauben -, obwohl ich wußte, daß wir die dicken Knaller, Kanonenschläge und Leuchtbomben, die wir für den Unabhängigkeitstag brauchten und die für Jugendliche verboten waren, nur bei Will Darnell beziehen konnten. Ich wußte auch von meinem Vater, daß Will vor zwölf Jahren, als ich gerade fünf war, als einer der Drahtzieher eines großen Autoschieberrings angeklagt wurde, der sich von unserer Stadt aus nach Osten bis New York und nach Norden bis nach Bangor in Maine erstreckte. Die Anklage wurde später fallengelassen. Aber mein Daddy war überzeugt, daß Will Darnell bis über beide Ohren in dunklen Geschäften steckte, von Lastwagendiebstählen bis zu gefälschten Antiquitäten. Besser, man geht da nicht hin, hatte mein Vater gesagt. Das war vor einem Jahr gewesen, ein paar Tage, nachdem ich meine erste Karre gekauft und zwanzig Dollar investiert hatte, um mir einen Stellplatz in Darnells Werkstattbetrieb zu mieten. Ich wollte ein Kreuzgelenk auswechseln, doch dieses Experiment endete mit einem Fiasko.
Besser, man geht da nicht hin - und nun fuhr ich hinter meinem Freund Arnie her durch das Haupttor von Darnells Werkstattbetrieb, während am Horizont noch ein letztes flak-kerndes Rot wie bei einem verlöschenden Hochofen aufleuch-tete. Meine Scheinwerfer schnitten zerknitterte Motorhauben, geborstene Achsen und verschlammte Ölwannen aus der Dunkelheit heraus, ein Stilleben der Trostlosigkeit, das niederdrük-kend wirkte. Mir fiel ein, daß ich vergessen hatte, zu Hause anzurufen, und Mama und Papa sich vermutlich Sorgen machten.
Arnie hielt vor dem großen Garagentor mit dem Schild daneben: HUPEN VOR DER EINFAHRT! Neben dem Tor sah ich einen schwachen Lichtschimmer hinter einer verrußten Fensterscheibe. Also war jemand da, und ich kämpfte gegen einen Impuls an, Arnie zuzurufen, er solle seinen Wagen heute nacht lieber vor unserem Haus abstellen. Könnte ja sein, daß wir Darnell und seine Komplicen bei der Inventuraufnahme gestohlener Farbfernsehgeräte oder beim Umspritzen gestohlener Cadillacs störten.
Arnie saß nur da, er hupte nicht, er tat nichts. Ich wollte schon aussteigen und ihn fragen, was los sei, aber da stieg er aus und kam zu mir. Selbst in dem fahlen Licht konnte ich sehen, daß er verlegen war.
»Kannst du für mich mal hupen, Dennis?« fragte er schüchtern. »Christines Hupe funktioniert nicht.«
»Klar doch.«
»Vielen Dank.«
Ich drückte zweimal auf die Hupe, und nach ungefähr einer Minute wurde das Garagentor zur Seite geschoben. Will Darnell stand da, sein Bauch wölbte sich über den Hosengurt. Er winkte Arnie ungeduldig, weiter hineinzufahren. Ich wendete den Duster und parkte in der Einfahrt, dann ging ich zu Darnells Wellblechschuppen.
Er war riesig, wie ein Gewölbe aus Blech und bedrohlich still am Ende dieses Tages. Ich sah mindestens fünf Dutzend schräg angeordnete Boxen mit diebstahlsicher befestigten Werkzeugkisten für Hobbymechaniker, die eine kaputte Karre und kein Werkzeug hatten. An der hohen Decke des Gewölbes kreuzten sich nackte Stahlträger mit Flaschenzügen an Laufkatzen.
Überall waren Plakate angeschlagen: VOR DEM VERLASSEN
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