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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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verdarb damit ein wenig ihren Abgang.
    Ich ging zum Eisschrank und kramte zwischen Spaghetti und Käse herum. Die Ketchup-Flasche war verkrustet, deshalb ließ ich die Spaghetti stehen. Käse mochte ich nicht, denn ich hatte ihn vier Jahre lang auf der Grundschule täglich als Belag meiner Pausenbrote genossen und mir damit meinen Käsegeschmack gründlich verdorben. Ich entschied mich für eine Tüte Voll-milch und eine Büchse Rindfleisch.
    »Hat Arnie den Wagen gekauft?« fragte mich Dad. Mein Daddy ist Steuerberater für den H & R-Fertighaus-Konzern.
    Nebenbei betreut er auch noch ein paar private Kunden. Früher war er Chefbuchhalter der größten Architektenbüros in Pittsburgh gewesen, aber nach seinem ersten Herzanfall hatte er diesen Job aufgegeben. Er ist sehr tüchtig in seinem Beruf.
    »Ja, er hat ihn gekauft.«
    »Sieht er immer noch so schlimm aus, wie du ihn mir gestern beschrieben hast?«
    »Schlimmer. Wo steckt Mom eigentlich?«
    »Sie hat heute Unterricht«, sagte er.
    Unsere Blicke kreuzten sich, und wir fingen beide an zu lachen. Wir bereuten das sofort und blickten beide beschämt in eine andere Richtung, aber um bei der Wahrheit zu bleiben -
    das half auch nicht viel. Meine Mutter ist dreiundvierzig und arbeitet als Fachberaterin für Zahnpflege. Lange Jahre übte sie ihren Beruf nicht aus, aber als Daddy seinen Herzanfall bekam, fing sie wieder an.
    Vor vier Jahren kam sie auf die Idee, daß sie eine unentdeckte Schriftstellerin sei. Sie begann, Gedichte über Blumen zu schreiben und Geschichten von liebenswerten alten Männern im goldenen Oktober ihrer Jahre. Hin und wieder wurde sie sogar peinlich realistisch und verfaßte eine Kurzgeschichte von einem jungen Mädchen, das unheimlich in Versuchung geriet,
    »es doch mal auszuprobieren«, jedoch im letzten Augenblick wieder in sich ging und meinte, es wäre doch ungleich besser, wenn sie das für das Ehebett aufsparte. In diesem Sommer hatte sie sich in Horlicks für einen Einführungskursus in die Schriftstellerei immatrikulieren lassen - an der Universität, wo Michael und Regina Cunningham unterrichteten, wie Sie sich erinnern werden - und sammelte seither alle Ideen und Geschichten in einer Kladde, die sie »Skizzenbuch der Liebe und Schönheit« nannte.
    Nun könnten Sie mir vorhalten (und es ehrt Sie nur, wenn Sie das tun), es wäre absolut nicht lächerlich, wenn eine Frau, die berufstätig ist und nebenbei noch eine Familie versorgt, sich dazu entschließt, etwas Neues zu probieren, ihren Horizont ein wenig zu erweitern. Und selbstverständlich haben Sie recht damit. Und ich widerspreche Ihnen auch nicht, wenn Sie mir und meinem Vater die Leviten lesen und sagen, wir hätten allen Grund, uns zu schämen, wir seien nichts als zwei dem Männlichkeitswahn huldigende Sexisten, die sich in ihrer Küche aufführten wie die Schweine. Da gebe ich Ihnen wieder recht. Ich möchte zu unserer Verteidigung nur anführen, daß Sie noch keine Dichterlesung aus dem Skizzenbuch der Liebe und Schönheit miterlebt haben, was Daddy, mir und Elaine schon öfters passiert war. Dann würden Sie vielleicht besser verstehen können, warum wir jetzt in der Küche das Kichern nicht ganz zu unterdrücken ver-mochten.
    Nun, sie war und ist eine großartige Mutter, und ich wette, sie ist auch eine großartige Frau für meinen Vater - jedenfalls habe ich ihn nie klagen hören, und er ist nie eine Nacht fortgeblieben, um sich anderswo umzuschauen oder sich zu betrinken. Und vielleicht gewähren Sie uns auch mildernde Umstände, wenn ich sage, daß wir beide niemals in ihrer Gegenwart über ihre Werke gelacht hätten. Zugegeben, das ist ein ziemlich schwaches Argument, aber immer noch besser als gar nichts. So etwas hätten wir ihr niemals angetan.
    Ich hielt mir den Mund zu und versuchte, das Kichern mit der Hand zu ersticken. Dad schien das gleiche mit einem Bissen Brot zu versuchen. Ich habe keine Ahnung, woran er gedacht hatte, als unsere Blicke sich kreuzten. Doch mir war sofort der Titel ihres letzten Essays gegenwärtig gewesen, den sie uns vor einer Woche vorgelesen hatte. Er trug den Titel: »Hatte Jesus Christus einen Hund?« Nach all den ner-venaufreibenden Erlebnissen dieses Tages war es einfach zuviel für mich.
    Ich ging zum Wandschrank über der Spüle und suchte dort nach einem Glas für meine Milch, und als ich mich wieder umdrehte, hatte sich mein Vater wieder gefangen. Das half mir auch.
    »Als du hereinkämst, sahst du wahnsinnig erschöpft aus«,

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