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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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windigsten Schein-Firmen, die mir in meinem Leben je untergekommen sind. Deshalb bestand ich schließlich auf einer Aussprache. Ich wollte, daß er die Karten auf den Tisch legte. Ich sagte ihm, daß er eine große Fantasie entwickeln müsse, falls die Steuerprüfer der Bundesbehörde oder die Steuerfahnder des Staates Pennsylvanien bei ihm anklopften und Erklärungen für gewisse Transaktionen verlangten. Und daß ich über kurz oder lang zuviel über seine nicht nachweisbaren Einkünfte wisse, um ihn in dieser Hinsicht entlasten zu können.«
    »Und was sagte er dazu?«
    »Er fing an zu tanzen«, erwiderte mein Vater, immer noch dieses schläfrige, zynische Lächeln auf dem Gesicht. »In meinem Geschäft ist man mit achtunddreißig Jahren mit den Schritten eines solchen Tanzes vertraut… wenn du gut bist in deinem Beruf, heißt das. Und schlecht bin ich nicht. Der Tanz beginnt damit, daß der Typ dich fragt, ob du zufrieden bist mit deiner Arbeit, ob er dir genug bezahlt. Und wenn du antwor-test, dir gefällt deine Arbeit, aber sie könnte wirklich besser bezahlt werden, dann ermuntert dich der Typ, frei von der Leber weg zu reden, was dich finanziell so bedrückt und welche Verpflichtungen du mit dir herumschleppst: das Haus, den Wagen, die Ausbildung der Kinder - vielleicht hat auch deine Frau schon immer darüber geschimpft, daß sie mit einem schäbigen Nerzmantel herumlaufen muß, wo es doch auch Zobel zu kaufen gibt… verstehst du?«
    »Er horchte dich aus?«
    »Ich würde lieber sagen, er klopfte mich ab«, erwiderte Dad und lachte dann. »Aber du hast in einem Punkt recht: Dieser Tanz ist kein Rock and Roll, sondern eher ein Menuett. Da gibt es viele Pausen, Phrasen und Verbeugungen. Und nachdem der Typ herausgefunden hat, wo dich der finanzielle Schuh drückt, fängt er an zu fragen, was du dir wünschst… einen Cadillac, ein Sommerhaus in den Catskills oder den Poconos, vielleicht eine Motorjacht…«
    Ich zuckte ein wenig zusammen, weil ich wußte, daß mein Dad sich nichts sehnlicher wünschte als ein kleines Kajütboot.
    Ein paarmal waren wir im Sommer nachmittags zu den Jachthä-

    fen an den King-George-See und an den Lake Passeeonkee gefahren. Er hatte sich die Preise der kleinen Jachten nennen lassen und dabei ein nachdenkliches Gesicht gemacht. Nun verstand ich, warum. Die Jachten waren für ihn unerschwinglich. Vielleicht hätte er sie sich leisten können, wenn er das Geld, das er für die Ausbildung seiner Kinder zusammen-sparte, dafür verwendet hätte.
    »Und du hast nein gesagt?« fragte ich ihn.
    Er zuckte mit den Achseln. »Ich machte ihm von Anfang an klar, daß ich diesen Tanz nicht mitmache. Schon deshalb nicht, weil wir dann auch persönliche Beziehungen hätten anknüpfen müssen, und ich hielt ihn für ein Stinktier. Aber auch deshalb nicht, weil diese Typen dumm sind, wenn es um Zahlen geht-daher müssen ja auch so viele wegen Steuerhinterziehung brummen. Sie bilden sich ein, sie könnten illegales Einkommen verstecken. Sie sind überzeugt davon.« Er lachte. »Sie haben alle diese verrückte Vorstellung, daß man schmutziges Geld waschen kann wie schmutzige Kleider. Tatsächlich kannst du schmutziges Geld aber nur so lange hin- und herschaufeln, bis es dir auf den Kopf fällt.«
    »Das waren deine Gründe?«
    »Zwei von dreien.« Er sah mir in die Augen. »Ich bin kein Gauner, Dennis.«
    Einen Moment floß zwischen uns ein elektrischer Strom -
    und selbst heute noch, vier Jahre später, bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob ich Ihnen vermitteln kann, warum. Warum…
    Es war nicht, weil er mich an diesem Abend wie einen Gleich-altrigen behandelte, nicht einmal, weil er mir zeigte, daß in diesem sonst so zugeknöpften Mann immer noch ein strahlender Ritter steckte, der trotz seiner Plackerei um das tägliche Brot in einer schmutzigen, rücksichtslosen Welt seine Ideale bewahrt hatte. Ich glaube, in dieser Nacht empfand ich ihn zum erstenmal als eine Realität - eine Person, die schon lange vor mir gelebt und gelitten hatte. Ein Mensch, der schon eine Menge Dreck hatte fressen müssen. In diesem Moment hätte ich ihn, glaube ich, mir auch beim Liebesakt mit meiner Mutter vorstellen können, beide verschwitzt und sich redlich abrak-kernd, ohne daß es mir peinlich gewesen wäre.

    Dann senkte er plötzlich die Augen, grinste ein wenig verschämt und sagte mit dieser rauhen, raspelnden Nixon-Stimme, die er wirklich gut imitieren

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