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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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rief wieder Assoziationen aus meiner Kindheit wach.
    Arnie und ich hatten jeden Sommer zwei Wochen lang die Ferienkurse der Bibelschule besucht. Die Lehrerin erzählte uns jeden Tag eine Geschichte aus der Bibel, ließ aber jedesmal den Schluß weg und gab statt dessen jedem Schüler ein leeres Blatt
    »Zauberpapier«. Wenn man mit einer Münze oder dem stumpfen Ende eines Bleistiftes über die Oberfläche des Papiers rieb, traten aus der leeren weißen Fläche die Umrisse eines Bildes hervor - eine Taube, die Noah einen Olivenzweig brachte, die einstürzenden Mauern von Jericho - lauter Wunder aus der heiligen Schrift. Es faszinierte uns beide, zuzusehen, wie die Bilder allmählich hervortraten. Erst ein paar Linien, die sich im Leeren verloren… dann andere Linien, die sich damit verban-den … ließen einen Zusammenhang ahnen… gewannen Bedeutung …
    Ich betrachtete Arnies Christine mit wachsendem Entsetzen und versuchte, mich gegen das Gefühl zu wehren, daß ich hier etwas Ähnliches erlebte wie bei dem Zauberpapier unserer Bibelstunden.
    Ich wollte unter die Motorhaube schauen.
    Plötzlich schien es sehr wichtig, daß ich unter die Haube schaute.
    Ich ging nach vorn (ich stand nicht gern vor ihm - obwohl es keinen vernünftigen Grund dafür gab, ich mochte es einfach nicht) und tastete nach dem Sperriegel, der die Kühlerhaube freigab. Ich fand ihn nicht. Dann fiel mir ein, daß der Hebel innen sein konnte.
    Ich wollte zur linken Wagentür gehen und sah noch etwas, und das ließ mir die Muffe gehen. Ich hätte mich bei der Delle, dem Pferdetritt, noch irren können. Ich wußte zwar, daß ich mich nicht irrte, aber rein theoretisch…
    Aber was ich jetzt sah, war was ganz anderes…
    Das Spinnwebmuster in der Panoramascheibe war kleiner geworden.
    Ich war mir ganz sicher.
    Ich erinnerte mich zurück an den Tag vor einem Monat, als ich in LeBays Garage den Wagen betrachtet hatte, während Arnie mit dem alten Mann in dessen Haus verhandelte. Da war die ganze linke Hälfte der Panoramascheibe von Sprüngen überzogen gewesen, die von einem Riß ausstrahlten, der vermutlich von einem Steinwurf herrührte.
    Jetzt war das Spinnwebmuster viel kleiner, kaum noch ver-
    ästelt - man konnte sogar wieder ins Innere sehen, was vorher nicht möglich gewesen war. Dessen war ich mir absolut sicher (nur eine optische Täuschung, mehr nicht - flüsterte es in meinem Kopf).

    Ja, ich mußte mich getäuscht haben - weil es Dinge gibt, die absolut unmöglich sind. Man kann eine Windschutzscheibe ersetzen - das war kein Problem, wenn man das nötige Kleingeld dafür hatte. Aber daß die Sprünge schrumpften - nein!
    Ich lachte kurz. Es war ein zitternder Laut, und einer der Typen, die an dem Pritschenwagen arbeiteten, schaute mich neugierig an und sagte dann etwas zu seinem Kollegen. Es war ein zitternder Laut, aber immer noch besser als gar nichts.
    Selbstverständlich mußte es am Licht gelegen haben. Ich hatte den Wagen zum erstenmal im Schein der schräg einfallenden Abendsonne gesehen und zum zweitenmal im Zwielicht von LeBays Garage. Jetzt sah ich ihn im Neonlicht, das senkrecht von der Decke herunterstrahlte. Drei verschiedene Lichtver-hältnisse - alles sprach für eine optische Täuschung.
    Trotzdem wollte ich unter die Motorhaube sehen. Dringender denn je.
    Ich ging zur Fahrertür und zerrte daran. Die Tür öffnete sich nicht. Sie war verriegelt. Klar doch, auch die anderen Knöpfe an den Türen waren unten. Arnie ließ seinen Wagen doch hier nicht unversperrt stehen, wo jeder einsteigen und darin her-umkramen konnte! Zwar war Repperton weg, aber es gab viele Reppertons. Ich lachte zum zweitenmal - du bist ein Einfaltspinsel, Dennis -, aber meine Lache klang noch schriller und zittriger. Ich fühlte eine gewaltige Leere im Kopf, wie zuweilen beim Aufwachen, wenn ich am Abend vorher zuviel Hasch geraucht habe.
    Es war eine ganz natürliche Sache, den Wagen abzuschlie-
    ßen. Aber als ich das erste Mal hingeschaut hatte, war ich sicher gewesen, daß alle Knöpfe an den Türen hochgezogen, also entriegelt gewesen waren.
    Ich wich wieder ein paar Schritte vor dem Wagen zurück und betrachtete ihn in der Totalen. Da stand er vor mir, eigentlich noch immer das, was er auch vorher war - eine Rostlaube. Ich dachte in diesem Augenblick überhaupt nichts Bestimmtes - da bin ich mir ganz sicher; außer, daß der Wagen vielleicht geahnt hatte, daß ich die Tür öffnen und den Hebel für die Motorhaube ziehen wollte.
    Und weil er

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