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Dokument1

Dokument1

Titel: Dokument1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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nicht wollte, daß ich so etwas tat, hatte er rasch seine Türen verriegelt?

    Das war wahrhaftig eine sehr lächerliche Vorstellung. So lächerlich, daß ich wieder lachte (diesmal fing ich befremdete oder neugierige Blicke mehrerer Leute ein, wie man eben Leute anschaut, die plötzlich ohne erkennbaren Grund lachen, wenn sie allein sind).
    Eine schwere Hand fiel auf meine Schulter und drehte mich um. Darnell stand da, einen kalten Zigarrenstumpen im Mundwinkel. Das Zigarrenende war naß und zerkaut. Er trug eine randlose Halbbrille, über deren Gläser hinweg er mich kalt und forschend ansah.
    »Was treibst du denn hier, Söhnchen?« fragte er. »Das ist nicht dein Eigentum.« Die dicken Kerle mit dem Pritschenwagen beobachteten uns hungrig. Der eine stieß den anderen mit dem Ellenbogen an und wisperte etwas.
    »Er gehört einem Freund von mir«, sagte ich. »Ich war dabei, als er ihn herbrachte. Vielleicht erinnern Sie sich noch an mich.
    Ich hatte ein großes Furunkel auf der Nasenspitze, und meine Krawatte…«
    »Mir ist es scheißegal, ob du damals dabei warst und den Wagen auf einem Skateboard hinter dir hergezogen hast«, sagte er. »Es ist nicht dein Eigentum. Also verschwinde und reiße deine Witze woanders, Söhnchen. Verschwinde!«
    Ich wäre seiner Aufforderung nur zu gerne nachgekommen.
    Ich konnte mir mindestens sechstausend Orte vorstellen, wo ich am vorletzten Tag meiner Sommerferien lieber gewesen wäre. Selbst das Schwarze Loch von Kalkutta hätte mir besser gefallen. Aber dieser Wagen lag mir auf dem Magen. Und dazu noch eine ganze Reihe von Dingen, die damit zusammenhin-gen und sich zu einem kräftigen Juckreiz summierten. Du mußt für Arnie die Augen offenhalten, hatte mein Vater gesagt, und das hatte sich ganz gut angehört. Doch nun konnte ich nicht glauben, was meine Augen sahen. Das war das Problem.
    »Mein Name ist Dennis Guilder«, sagte ich. »Mein Vater hat früher für Sie die Bücher geführt.«
    Er sah mich lange an, und in seinen kalten Schweinsaugen rührte sich nichts, und ich war ziemlich überzeugt davon, daß er mir sagen würde, es wäre ihm scheißegal, was mein Vater wäre, ich sollte verschwinden und die schwerarbeitenden Familienväter, die ihre Wagen in Schuß halten mußten, damit ihre Kinder was zu beißen hatten, nicht bei der Arbeit stören. Et cetera.
    Dann lächelte er - aber das Lächeln erreichte seine Augen nicht. »Du bist Kenny Guilders Sohn?«
    »Ja, das ist richtig.«
    Er tätschelte die Motorhaube von Arnies Wagen mit einer blassen feisten Hand - zwei Ringe steckten daran, und einer sah wie ein echter Diamant aus. Aber was kennt ein Junge wie ich schon davon?
    »Nun, wenn du Kennys Sohn bist, ist das natürlich etwas anderes«, sagte er dann, musterte mich aber mißtrauisch. Ich dachte schon, er würde mich nach irgendeinem Ausweis fragen.
    Die beiden Autobastler in der Nachbarbox hämmerten wieder auf ihre Bleche. Sie hatten wohl erkannt, daß sich nebenan nichts Spannendes entwickeln würde.
    »Komm mit in mein Büro, damit wir ein bißchen plaudern können«, sagte Darnell, drehte sich um und watschelte quer durch die Halle, ohne sich noch einmal umzuschauen. Als würde er es für selbstverständlich halten, daß ich gehorchte. Er bewegte sich wie ein Schiff, das alle Segel gesetzt hatte, sein weißes Hemd aufgebläht wie ein Spinnaker vor dem Wind.
    Leute, die übermäßig fett sind, beeindrucken mich immer auf diese Weise, vermitteln mir dieses Gefühl der Unwahrschein-lichkeit, als wäre diese immense Beleibtheit nichts als eine sehr gelungene optische Täuschung. Nun stamme ich aus einer Familie, die seit Generationen nur hagere Leute hervorbrachte.
    In den Augen meiner Familie bin ich schon ein Schwergewicht.
    Unterwegs zum Büro hielt er an dieser und jener Box an und sah den Leuten auf die Finger. Sein Büro besaß an der Seite zur Halle eine Glaswand. Er erinnerte mich etwas an Moloch, den Gott, den wir im Seminar über die Ursprünge der Literatur behandelt hatten; ihm blieb nichts verborgen, obwohl er nur ein einziges rotes Auge hatte. Darnell raunzte einen Typ an, daß er seinen Auspuff mit dem Abgasschlauch verbinden sollte, ehe er seinen Motor anließ, sonst flöge er achtkantig hinaus; er bellte etwas in eine entfernte Box, was sich anhörte wie »Nicky hat wieder Scherereien mit seinem Rücken!« (und das löste sofort ein schreckliches Gelächter bei beiden aus), und dann fauchte er einen Jungen an, die verdammte leere Pepsi-Büchse

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