Dokument1
Echo.
Die Gesichter auf den Tribünen wirkten gelbstichig, hatten bizarre Schattenmuster wie die Gesichter von chinesischen Tanzmasken. Der Jubelchor hüpfte herum wie ruckende Automaten. Der Himmel zeigte ein seltsames Schiefergrau und war eine brodelnde Masse dahinjagender Wolken. Wir bekamen eine furchtbare Abreibung. Coach Puffer brüllte unentwegt, aber keiner konnte ihn hören. Die Dragons liefen uns einfach davon. Wir kamen einfach nicht an den Ball heran. Lenny Barongg machte ein Gesicht, als spielte er unter starken Schmerzen, sein Mund war ein grimmiges Halbrund wie bei einer Totenmaske.
Ich wurde geschlagen, getreten, getrampelt. Ich lag auf dem Footballfeld, weit hinter der Linie, wo beide Mannschaften in einer dicken Traube um den Ball kämpften. Ich krümmte mich auf dem Boden, versuchte wieder Luft zu bekommen. Ich sah hoch, und dort, mitten auf der Aschenbahn, stand Christine.
Der Lack und der Chrom blitzten, als wäre sie vor einer Stunde aus dem Ausstellungsraum gerollt.
Arnie saß mit gekreuzten Beinen wie ein Buddha auf dem Dach und blickte mich ausdruckslos an. Er rief mir etwas zu, aber das meiste ging im Heulen der steifen Brise unter. Es hörte sich etwa so an: Keine Angst, Dennis. Wir werden uns schon darum kümmern. Sei unbesorgt. Alles ist cool.
Um was wollten sie sich kümmern? fragte ich mich, als ich hilflos auf dem Spielfeld meines Traumes lag, das sich aus einem unerfindlichen Grund plötzlich in Schlacke verwandelte, und ich rang nach Luft, während mein Lendenschutz sich dicht unter den Hoden schmerzhaft in die Innenseite meiner Schenkel grub. Um was wollt ihr euch kümmern?
Um was?
Keine Antwort. Nur dieses grelle Licht aus Christines gelben Scheinwerfern und Arnie mit gekreuzten Beinen und in unerschütterlicher Ruhe im heulenden Wind auf dem Dach.
Am nächsten Nachmittag gingen wir wieder hinaus und schlugen uns wacker für die gute alte Libertyville High. Es wurde nicht so schlimm wie in meinem Traum - an diesem Samstag wurde niemand verletzt, und im dritten Viertel sah es sogar kurz danach aus, als hätten wir eine Chance; doch dann hatte der Quarterback der Philadelphia City Glück mit ein paar langen Pässen, und wenn es irgendwo anfängt, schief zu laufen, dann geht alles schief - und wir verloren abermals.
Nach dem Spiel hockte Coach Puffer nur auf seinem Trainer-bänkchen und weigerte sich, einen von uns anzusehen. Wir hatten noch elf Spiele bis zum Ende der Meisterschaft, aber er war schon jetzt ein geschlagener Mann.
16 Auftritt Leigh, Abgang Buddy
l’m not braggin, babe, so don’t put me down, But I’ve got the fastest set of wheels in town, When someone comes up to me he don’t even try Cause if she had a set of wings, man,
l know she could fly,
She’s my little deuce coupe,
You don’t know what I got…
- The Beach Boys
Es war, dessen bin ich sicher, der Dienstag nach unserer Niederlage gegen die Philadelphia City Dragons, als wieder Bewegung in die Sache kam. Das muß der 26. September gewesen sein.
Arnie und ich hatten am Dienstag drei gemeinsame Unterrichtsstunden, und eine davon behandelte Höhepunkte amerikanischer Geschichte. In den ersten neun Wochen unterrichtete der Dekan der historischen Abteilung, Mr. Thompson, und sein Thema lautete: »Zweihundert Jahre Boom und Baisse«.
Arnie nannte sie die Boing-und-Böller-Stunde, weil es die letzte Unterrichtsstunde vor der Mittagspause war und es in den Mägen der Zuhörer dauernd rumorte.
Als die Pausenglocke läutete, kam ein Mädchen zu Arnie und fragte ihn, ob er sich die Hausaufgaben für Englisch notiert hätte. Er hatte. Er suchte lange in seiner Tasche nach dem Aufgabenbuch, und das Mädchen schaute ihm ernsthaft dabei zu, das heißt, sie wendete ihre dunkelblauen Augen keine Sekunde von seinem Gesicht ab. Sie hatte dunkelblondes Haar, das an frischen Honig erinnerte - nicht das gereinigte Zeug, sondern wie er frisch aus den Waben kommt - und das sie mit einem breiten blauen Band im Farbton ihrer Augen zusammengebunden hatte. Als ich sie betrachtete, fingen in meinem Magen ein paar Schmetterlinge an zu tanzen. Und während sie sich die Aufsatzthemen abschrieb, fing Arnie an, sie zu betrachten.
Es war nicht das erste Mal, daß ich Leigh Cabot sah; sie war vor drei Wochen aus einer Stadt in Massachusetts nach Libertyville gezogen. Jemand hatte mir erzählt, ihr Vater arbeite für
»Drei-M«, die Klebebandfirma.
Es war auch nicht das erste Mal, daß sie mir aufgefallen wäre, denn
Weitere Kostenlose Bücher