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gezeigt. Aber Football, Basketball und Leichtathletik, darauf pfiffen die meisten Schüler. Sie waren damit ausgelastet, sich fürs College oder für den nächsten Beischlaf vorzubereiten.
Trotzdem - man gewöhnt sich daran, Sieger zu sein, und hält es schließlich für eine Selbstverständlichkeit. Libertyville hatte lange Zeit nur Siegermannschaften hervorgebracht. Laut unserer Schulchronik hatte unsere Fußballmannschaft zum letztenmal vor zwölf Jahren, also 1966, am Tabellenende gestanden.
Und deswegen gab es in der Woche nach der Niederlage gegen Luneburg zwar kein Heulen und Zähneknirschen, aber doch strafend-vorwurfsvolle Blicke auf den Korridoren und Buhrufe beim Abschlußtraining am Freitagnachmittag. Das Buh> Geschrei wirkte natürlich wie ein rotes Tuch auf Coach Puffer.
Er lud die »Sport- und Schön-Wetter-Freunde« zum Spiel am Samstagnachmittag ein, um das Comeback des Jahrhunderts zu erleben.
Ich weiß nicht, ob die »Sport- und Schön-Wetter-Freunde« da waren, aber ich war da. Wir hatten ein Heimspiel, und unsere Gegner waren die Ridge-Rock-Bears. Ridge Rock, müssen Sie wissen, ist eine Bergwerksstadt, und während die Jungs dort nicht gerade das Pulver erfunden haben, so haben sie deswegen noch lange keine weichen Birnen, sondern ziemlich harte Schädel. Im Jahr zuvor hatte das Footballteam von Libertyville sie mit knapper Not im Kampf um den Meistertitel geschlagen, und ein Sportkommentator unserer Lokalzeitung hatte geschrieben, Libertyville hätte nicht die bessere Mannschaft gehabt, sondern nur die dickeren Polster. Coach Puffer war damals schon an die Decke gegangen.
Diesmal jedoch war es das Jahr der »Bären«. Sie überrollten uns wie eine Dampfwalze. Fred Dann fiel bereits im ersten Spielabschnitt mit einer Gehirnerschütterung aus. Im zweiten Abschnitt mußte Norman Aleppo mit einem Armbruch ins Libertyville Hospital gebracht werden. Und im letzten Spielabschnitt gelang den Bären ein Hattrick: sie verwandelten drei direkte Freistöße. Das Endergebnis war ein niederschmetterndes 40:6 für die Gäste. Bescheidenheit mal beiseite - ich erzielte alle sechs Tore für unsere Mannschaft. Nun will ich nicht neben der Bescheidenheit auch noch die Tatsachen vergessen - ich hatte unverschämtes Glück.
Also - eine weitere Woche die Hölle auf dem Trainingsplatz.
Eine Woche, in der sich Coach Puffer heiser schrie: Pack ihn!
Schlag zu! An einem Tag trainierten wir fast vier Stunden, und als Lenny dem Coach sagte, es wäre nett, wenn uns noch ein bißchen Zeit für Schularbeiten bliebe, dachte ich einen Moment lang, Coach Puffer würde ihm eine Ohrfeige geben. Puffer klirrte mit seinem Schlüsselbund, den er ständig von einer Hand in die andere wechselte, was mich an Captain Queeg aus Die Caine war ihr Schicksal erinnerte. Ich glaube, der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich erst in der Niederlage, nicht im Sieg. Puffer, der noch nie in seiner Karriere als Trainer zwei Niederlagen hintereinander erlebt hatte, reagierte darauf mit einer sinnlosen Wut, wie ein von grausamen Kindern gequälter, eingesperrter Tiger.
Am folgenden Freitagnachmittag - es muß der 22. September gewesen sein - wurde das Abschlußtraining nach der letzten Schulstunde abgesagt. Ich kannte keinen Spieler, der das bedauerte. Wir konnten gern darauf verzichten, uns zum x-hundertstenmal vor der Tribüne aufzustellen, wo der weibliche Jubelchor beim Verlesen unserer Namen in einstudierte Begeisterungsstürme ausbrach. Trotzdem war der Ausfall dieser Zeremonie ein böses Omen. An diesem Abend mußten wir noch einmal in der Sporthalle erscheinen, um uns zwei Stunden lang die Video-Filme unserer beiden Niederlagen gegen die Tiger und die Bären anzusehen. Vielleicht versprach er sich davon eine psychologische Aufrüstung, aber mich deprimierten die Aufnahmen.
In dieser Nacht vor unserem zweiten Heimspiel der Saison hatte ich einen seltsamen Traum. Es war nicht direkt ein Alptraum, nicht wie damals, als ich das Haus zusammenge-schrien habe, aber trotzdem… es war unangenehm. Wir spielten gegen die Philadelphia City Dragons, und ein starker Wind blies über das Footballfeld. Der Jubelchor, die Fanfaren, die Stimme von Chubby McCarthey aus dem Lautsprecher, als er die Tore und die Strafstöße ansagte, selbst das dumpfe Knallen, wenn die Körper der Spieler im Body-Check aufeinanderprall-ten - das alles hörte sich in diesem steifen, knatternden Wind seltsam an, eigenartig abgehackt oder in die Länge gezogen wie ein
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