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Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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gleichen Anmutung von äußerster Würde gesehen.
    Die Wachen gingen vor der Frau, während sie sich dem Fürsten näherte. Geder konnte dem Lärmen der Menge nicht entnehmen, ob sie sich über sie lustig machten oder ihre Anwesenheit feierten. Ihr Blick strich prüfend über Geder.
    »Dies ist meine Seherin«, sagte der Fürst zu ihm. Und dann zu der Frau: »Dieser Mann ist unser Gast. Er reist in einer spirituellen Angelegenheit durch die Keshet.«
    »So ist es«, stimmte die Frau zu.
    Der Fürst grinste, als hätte sie ihm ein Geschenk gemacht. Er legte Geder in einer merkwürdig intimen Geste die Hand auf den Arm.
    »Sie gehört heute Nacht Euch«, sagte der Fürst. Geder runzelte die Stirn. Er hoffte, es stand nicht zur Debatte, sie als Bettdienerin mitzunehmen, obwohl er derartige Geschichten in den alten Erzählungen über die Keshet gehört hatte. Er hustete und versuchte auf etwas zu kommen, mit dem er sich herauswinden könnte, aber die Seherin hob nur die Hand. Ein weiterer Diener rannte mit einem Holzschemel herbei, und die Haavirisch setzte sich darauf und starrte Geder ins Gesicht.
    »Hallo«, sagte Geder mit unsicherer Stimme zu ihr.
    »Ich kenne dich«, sagte sie, dann wandte sie sich um und spuckte auf den Boden. »Als ich ein Mädchen war, habe ich von dir geträumt.«
    »Äh …«, sagte Geder. »Wirklich?«
    »Sie ist sehr gut«, erklärte der Fürst. »Sehr weise .«
    »Mein Onkel hatte eine Krankheit«, sagte die Seherin, »nur sah man davon keine äußeren Zeichen. Kein Fieber, keine Schwäche, nichts, daher wussten wir nicht, wie wir ihn heilen sollten.«
    »Aber wie könnt Ihr dann sagen, dass er krank war?«
    »Es war ein Traum«, antwortete die Seherin geduldig. »Er aß die bitteren Kräuter, um sich zu heilen, und anschließend schmeckte das Wasser süß, das er trank. Aber es war nichts weiter als Wasser. Die Süße war in ihm, und es war eigentlich gar nicht süß. Es war nur nicht bitter. Es hatte nicht die Macht, irgendetwas zu heilen.«
    Die Seherin nahm ihn bei der Hand, und ihre langen Finger erforschten seine Knöchel, als suchte sie nach etwas. Sie hob seine Hand an die Nase und schnüffelte am Handteller. Geder bekam eine Gänsehaut, und er versuchte, sich zurückzuziehen.
    »Du wirst sie dreimal treffen«, sagte sie, »und jedes Mal wirst du jemand anders sein. Und jedes Mal wird sie dir geben, was du willst. Du hast sie bereits ein Mal getroffen.«
    Die Seherin hob die Augenbrauen, als würde sie sagen: Verstehst du?
    Das soll etwas über mich aussagen? , dachte Geder.
    »Danke«, sagte Geder und nickte. Das tanzende Fackellicht ließ die schwarzen Zeichen auf ihrer Haut aussehen, als würden sie sich ohne ihr Zutun bewegen.
    »Ist das alles?«, fragte der Jasuru-Fürst.
    »Das ist alles, was ich für ihn habe«, sagte die Seherin sanft. Sie stand auf, und die Ketten, die von ihrem Hals herabführten, klirrten. »Ihr und ich werden uns unterhalten, aber später.«
    Sie machte eine Verbeugung, wandte sich ab und ging zurück durch die niedrigen Büsche und den Staub, die Holztische der Krieger der Keshet und die Schatten. Die Kettenträger folgten ihr, als würde sie sie führen. Die Stille wurde vom Klang der Ketten und dem Murmeln der flackernden Fackeln durchbrochen. Geder glaubte, auf den Gesichtern der Ritter Überraschung, ja sogar Entsetzen zu sehen, aber er verstand es nicht. Etwas war gerade geschehen, doch er konnte nicht sagen, was.
    Der Fürst fuhr über die Schuppen an seinem Kinn und Hals wie ein Erstgeborener, der sich durch den Bart strich. Er grinste; die scharfen, dunklen Zähne waren wie eine Mauer.
    »Esst! Singt!«, rief er, und die Stimmen der Ritter und der Lärm hoben wieder an, wie es zuvor gewesen war. Geder nahm noch ein Würstchen und fragte sich, was ihm gerade entgangen war.
    Das Fest bescherte Geder einen unruhigen Magen. Er lag in seinem Zelt und lauschte dem leisen Sommerwind, der durch die Wüste strich, aber es gelang ihm nicht einzuschlafen. Er hörte das leise Schnarchen seines Knappen, roch den feinen Staub der Keshet, der überall hineinzugelangen schien, und schmeckte das gewürzte Fleisch des Festes, das ihm schon längst keinen Genuss mehr bescherte. Mondlicht drängte sich an den Kanten des Zelts herein und machte die Dunkelheit silbern. Er fühlte sich ruhelos und träge zur selben Zeit.
    Die Süße war in ihm, und es war eigentlich gar nicht süß. Es war nur nicht bitter. Es hatte nicht die Macht, irgendetwas zu heilen.
    Von allem,

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