Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
Laden befand sich in einer dunklen Straße. Hier und dort lagen Lederfetzen. Eine Schneiderpuppe aus Messing, die in weiches schwarzes Leder eingehüllt war und noch leicht nach dem Gerberhof roch, ragte neben dem mit Öltuch verhangenen Fenster auf. Als Rüstung war so dünnes Leder nutzlos, aber als höfische Kleidung würde es ziemlich eindrucksvoll wirken.
»Wollt Ihr ihn?«, fragte der Timzinae.
»Entschuldigt, was?«
»Den Mantel. Der Meister der Kanäle hat ihn in Auftrag gegeben, dann ist er in der Nacht unmittelbar vor« – er hielt den Steuerbescheid in der schwarz geschuppten Hand hoch – »unserer Befreiung durch das edle Imperium verschwunden. Er ist noch nicht fertig, und ich habe genug von dieser Farblieferung übrig, dass ich ihn ändern könnte, so dass er Euch passt.«
Geder leckte sich über die Lippen. Das konnte er nicht tun. Jemand würde ihn fragen, wo er ihn herhatte, und er würde es erklären müssen. Oder lügen. Wenn er behauptete, dass er billig darangekommen war, vielleicht während seiner Reise auf den Straßen im Süden oder bei einer der kleinen Karawanen, die sie durchsucht hatten …
»Könntet Ihr ihn wirklich ändern?«
Das Lächeln des Timzinae war ein Meisterstück des Zynismus. »Könnte Euch das abhandenkommen?«, fragte er und nickte zu dem Blatt hin.
Einen Augenblick lang hallte die Befriedigung in Geder nach, die er verspürt hatte, als er von den Schmugglern fortgeritten war, mit Edelsteinen und Schmuck verborgen unter seinem Hemd. Ein verlorener Steuerbescheid. Im schlimmsten Fall würde er Alan Klins Säckel noch ein wenig leichter machen, seine Berichte in die Heimat nach Camnipol ein bisschen weniger verheißungsvoll. Es würde dem Lederschneider und seinem Laden ein weiteres Jahr verschaffen; wenn der Mann ihn gebeten hätte, wäre Geder der Bescheid vermutlich sogar ohne die Aussicht auf einen guten Mantel »abhandengekommen«.
Außerdem waren im Vergleich zu dem, was er bereits getan hatte, die zwanzig Silbermünzen, die Klin entgingen, wie ein Regentropfen auf dem Ozean.
»Es kann niemandem etwas nützen, einen ehrlichen Mann um seine Arbeit zu bringen«, sagte Geder. »Ich bin sicher, wir können das regeln.«
»Dann stellt Euch auf den Hocker«, forderte der Timzinae ihn auf. »Ich werde mich darum kümmern, dass der Schnitt Eurer Statur bestens angepasst wird.«
Im Winter war Trockenzeit in Vanai. An den Wänden der Kanäle konnte man einige Fuß über dem dünnen Eis und dem trägen, dunklen Strom die Spuren höherer Wasserstände sehen. Herbstlaub wehte zwischen den Fundamenten der Mauern, und Bäume standen öde und abgestorben in den Gärten und Lauben. Die Eiszapfen, die von den Holzgiebeln der Häuser hingen, wurden von Tag zu Tag dünner, und es kam kein frischer Schnee nach. Die Nächte waren eisig, die Tage einfach nur kalt. Die Stadt wartete auf das Tauen, die Schneeschmelze, die Flut von Frischwasser und Leben, die von einem Frühling künden würde, der noch Monate auf sich warten ließ. Alles war tot oder schlief. Geder ging durch die Straße, und seine Wachen folgten ihm.
Als er zurückgekehrt war, hatte Geder als Erstes die Türen abgeschlossen, den Stoffbeutel hervorgeholt, den er in Gilea gekauft hatte, und die Edelsteine und den Schmuck auf seinem Bett ausgebreitet. Sie hatten ihn vor ein Problem gestellt, wie sie da im trüben Licht geglitzert hatten. Er hatte nun zwar genug Reichtum zur Verfügung, um sein Alltagsleben in Vanai bequemer zu gestalten, aber nicht in Form von Münzen. Er konnte sie natürlich verkaufen, aber wenn er sie den Schmuckverkäufern in der Stadt überließ, dann riskierte er, dass jemand einen Stein oder eine Metallarbeit wiedererkannte. Und wenn Klin oder einer seiner Günstlinge bemerkte, dass Geder plötzlich mehr Geld besaß, als er haben sollte, konnte daraus nichts Gutes erwachsen.
Er war dem Problem begegnet, indem er seinen Knappen ausgesandt hatte, nur die unverfänglichsten Steine einzutauschen – drei runde Granate und einen Diamanten in unauffälliger Silberfassung. Der Münzbeutel hatte Silber und Bronze, Kupfer und zwei dünne Goldplättchen enthalten, die so zerbrechlich waren, dass man sie mit den Fingern verbiegen konnte. Für seine Verhältnisse war es ein Vermögen, und er trug nun einen Teil davon zusammen mit einem Buch in einem Beutel bei sich, bereit für die letzte Aufgabe seines Tages.
Die Akademie blickte auf einen beengten Platz hinaus. In ihren besseren Tagen war sie ein
Weitere Kostenlose Bücher