Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
einheimischen Frauen und Männern vorbei, die ihre schönsten Kleider trugen, und in allen Mienen stand milde Erheiterung. In der kalten Luft waren die Gesichter der Erstgeborenen rosig, und ihre Nasen liefen. Entlang der ganzen Straße standen Türen offen, Lichter schienen heraus, um Vorbeigehende einzuladen, aber ohne die Flaggen und Feuerwerke von Antea. Letztes Jahr hatte niemand von diesen Leuten gewusst oder sich darum geschert, wann König Simeon seine Krone genommen hatte. Wenn die Soldaten von Antea nach Hause zurückkehrten, würde das Datum schnell wieder vergessen sein. Die ganze Unternehmung kam Geder vor wie die leere Hülle einer echten Feier. Wie Zinn, das sich für Silber ausgab.
Im Palast des früheren Fürsten hatte Klin die lange Audienzkammer für das Fest des Adels von Antea hergerichtet. Hier drang warme Luft in Mund und Nase, und traditionelles Essen aus Antea füllte die Tische – Wild in Minzsauce, Forellenpaste auf zweimal gebackenem Weißbrot, in Wein gegarte Wurstketten. Das Durcheinander der Stimmen war wie ein Sturm: Man brüllte sich Unterhaltungen zu, die in den großen bronzefarbenen Bogen über ihnen widerhallten. Wettstreitende Sänger streiften zwischen den Tischen umher, um sich ein paar Münzen von den Feiernden aus Antea zu erbetteln. Ein alter Diener mit dem rotgrauen Armband von Klins Haushalt führte Geder zu einem der kleinsten Tische, weit von der großen Feuerstelle entfernt, in der ein halber Baum knisternd brannte. Geder behielt seinen Mantel an. So weit vom Feuer entfernt war es kalt.
Geder gestattete es einem Sklavenmädchen, ihm einen Teller mit Essen und ein breites Glas aus geschliffenem Kristall mit dunklem Bier zu reichen, das nach Gerste roch. Inmitten der Feierlichkeit aß er ganz allein, grübelte über Fragen der Wahrheit und Täuschung, des Krieges und der Geschichte. Der Ehrentisch – Alan Klin, Gospey Allintot und ein halbes Dutzend andere von Klins Günstlingen – war für ihn ein Schiff am Horizont. Er merkte nicht, dass Daved Brut an seinen Tisch gescheucht wurde, bis der Junge sich auf eine Bank fallen ließ.
»Palliako«, sagte der jüngere Brut mit einem Nicken.
»Hallo«, sagte Geder.
»Guter Mantel. Neu?«
»Vor kurzem angeschafft.«
»Steht Euch.«
Da ihre Unterhaltung damit abgeschlossen war, nahm Brut einen Teller und begann mit seinem Feldzug, systematisch so viel zu essen, wie er schaffen konnte. Es schien ihm keinen Spaß zu machen, aber Geder verspürte einen Hauch von Bewunderung für die Entschlossenheit des Jungen. Minuten später, als Jorey Kalliam und Sir Afend Tilliakin – zwei weitere von jenen, die Klin am wenigsten begünstigte – zusammen an den Tisch traten, hatte Brut bereits einen zweiten Teller kommen lassen.
»Wie interpretiert Euer Vater die Lage?«, fragte Tilliakin, als die beiden Platz nahmen.
Jorey Kalliam schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Schlüsse ziehen können«, sagte er und nahm einen Teller mit Wild und einen Weinkrug aus den Händen eines wartenden Dieners entgegen. »Noch nicht.«
»Trotzdem, dieser kleine Bankier Imaniel wird wohl in nächster Zeit nicht freikommen. Lord Klin muss sich doch die Eingeweide abnagen, dass er diese Karawane nicht gefunden hat, hä?«
Alle Gedanken an Drachen, Wellen und heldenhafte Esser zogen sich aus Geders Verstand zurück. Er nahm einen langen Schluck Bier, versteckte sich hinter dem Glas und versuchte, einen Weg zu ersinnen, wie man nachfragen könnte, worüber die beiden redeten, ohne allzu durchschaubar zu wirken. Ehe ihm etwas Kluges einfiel, meldete sich Brut zu Wort.
»Geht es um den Brief von Ternigan?«
»Jorey Kalliams Vater beobachtet die ganze Sache von zu Hause aus, aber ich kann auch mit der Brechstange keine Einzelheiten herausbekommen.«
Geder räusperte sich. »Ternigan hat einen Brief geschrieben?«, fragte er, seine Stimmer höher und angestrengter, als er beabsichtigt hatte.
Tilliakin lachte. »Ein halbes Buch, nach allem, was ich gehört habe«, sagte er. »Die Kriegskisten, die Klin nach Hause geschickt hat, waren für den Geschmack des ein oder anderen zu leicht. Ternigan will wissen, weshalb. Soweit ich gehört habe, schickt er einen seiner Männer her, um Klins Bücher zu prüfen und herauszufinden, ob er mehr als seinen Anteil einbehält.«
»Das wird nicht passieren«, sagte Jorey. »Zumindest passiert es noch nicht.«
Brut wölbte die Augenbrauen.
»Also habt Ihr etwas gehört«, sagte Tilliakin.
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