Dolch und Münze (01): Das Drachenschwert (German Edition)
verschwenden?«
»Es wäre keine Verschwendung«, sagte Cithrin. »Darum geht es ja. Wenn sie Silber und Perlen haben, sind sie gewiss kein Müll. Nennt sie … ich weiß nicht. Hallskarische Salzfarben. Ein neues Verfahren, sehr selten. Keine Kleider wie diese auf dem ganzen Großmarkt. Fangt bei zweihundert Silberstücken an und geht bis auf hundertdreißig herunter.«
»Weshalb sollte jemand so viel dafür ausgeben?«
»Weshalb nicht? Wenn es etwas Neues ist, kennt niemand den angemessenen Preis. Wenn es niemand besser weiß, könnt Ihr alles verlangen.«
Der Kaufmann schüttelte den Kopf, aber nicht ablehnend. Die Augenbrauen der Erstgeborenen schoben sich immer näher an den Haaransatz. Cithrin grub eine Honignuss aus und wartete die Zeit von vier Atemzügen ab, während der Kaufmann in Gedanken mit sich rang.
»Wenn nur ein Mensch auf dem ganzen Großmarkt es glaubt«, sagte Cithrin, »habt Ihr die Kosten für alle zehn Kleider gedeckt. Mit Haken, Perlen und allem. Wenn es zwei sind …«
Der Händler sagte zwei weitere Atemzüge lang nichts. »Du weißt entschieden zu viel über Kleider«, meinte er dann.
Ich weiß gar nichts über Kleider, dachte sie. Der Kaufmann gab ein bellendes Lachen von sich. Er griff nach dem rosenfarbenen Kleid und warf es Cithrin mit gespieltem Ekel zu.
»Vierzig«, sagte er zu ihr, dann wandte er sich an die Erstgeborene. »Seht Ihr das? Seht Euch dieses Gesicht an. Das ist eine wirklich gefährliche Frau.«
»Das glaube ich auch«, sagte die Erstgeborene, während Cithrin grinsend die Münzen abzählte.
Eine Stunde später spazierte sie die halboffenen Wege des Großmarkts entlang, ihr Kleid zu einem festen, rosenfarbenen Bündel unter einem Arm zusammengefaltet, und die Welt um sie herum war ein heller, freundlicher Ort. Das Kleid würde man ändern müssen, damit es ihr passte, aber das war ein belangloser Punkt. Mehr als über irgendeinen Gegenstand, den sie erhalten hatte, erfreute sie sich an dem Gedanken, eine wirklich gefährliche Frau zu sein.
Die Sonne war gerade erst Richtung Westen aufgebrochen. Cithrin begab sich zu den öffentlichen Bädern, hatte eine Stunde im warmen Wasser im Sinn. Vielleicht würde sie sogar ein paar Münzen für einen Balsam ausgeben, um die Flöhe und Läuse zu vertreiben, die die Reise und ihre neuen, winzigen Zimmer ihr beschert hatten. Die Bäder lagen am Nordrand eines großen öffentlichen Platzes. Säulen stiegen in den Himmel auf, hoch wie Bäume, obwohl das Dach, das sie einst gestützt haben mochten, schon so lange fort war, dass der Regen Rinnen hineingefräst hatte. Flecken von braunem, im Winter abgestorbenem Gras lagen wie Teppiche in den offenen Räumen, und in den Zweigen der Büsche hatten sich totes Laub und Stofffetzen verfangen. Cithrin ging an einem Karren vorbei, der heiße Suppe verkaufte, und an einem schmächtigen Kurtadam mit einem Marionetten-Paar, das zu seinen Füßen neben einer Bettelschale tanzte, in der ein paar Bronzemünzen lagen. Auf der anderen Seite des Platzes hatte eine Schauspieltruppe ihren Wagen zu einer Bühne umgebaut und damit ein paar verärgerte Puppenspieler hinausgedrängt. Tauben kreisten darüber. Eine Gruppe von weiblichen Cinnae spazierte vorbei, blass, dünn und hübsch, ihre Kleider flossen um ihre Körper wie Seegras bei Flut, und ihre Stimmen waren voller Akzent und Musik. Cithrin wollte sie beobachten, aber ohne gesehen zu werden. Sie hatte niemals enge Bekanntschaft mit einem vollblütigen Cinnae gemacht. Und doch war ihre Mutter eine gewesen, hätte als Teil einer solchen Gruppe ganz natürlich gewirkt.
Die Frauen bogen auf die breiten Stufen ab, die zu den Bädern führten, und Cithrin hatte sich schon auf den Weg gemacht, ihnen zu folgen, als sie eine vertraute Stimme abrupt innehalten ließ.
»Halt!«
Sie drehte sich um.
»Haltet an und kommt näher. Hört die Geschichte von Aleren Menschentod und dem Schwert der Drachen! Oder, wenn Ihr zartbesaitet seid, geht weiter.«
Auf der Bühne der Schauspieler schritt ein älterer Mann über die Bretter, und seine Stimme schallte über den Platz. Sein Bart ragte nach vorn, und sein Haar stand weit vom Kopf ab. Er trug bunte Theatergewänder, und seine Stimme hallte zwischen den großen Säulen wider. Meister Kit war unverwechselbar, der Kundige. Cithrin ging auf die Bühne zu und fragte sich, ob sie träumte. Ein halbes Dutzend weitere Bürger von Porte Oliva hatten angehalten, angezogen von den Sprüchen, und die Menge zog
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