Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
sich bedrückend an. Wenn man der mächtigste Mann des imperialen Antea war, bedeutete das, die ganze Zeit beschäftigt zu sein, von der Form und Etikette eingeschränkt zu werden und die Welt auf den Schultern zu tragen. Er würde nie wieder hinaus auf die Straße reiten können, wenn ihm danach war. Und nie, niemals allein. Er hatte das Durchwühlen alter Schreibstuben gegen diesen kleinen Gang eingetauscht, den nur er und seine Wachen benutzen durften, und der Tausch schien ihm weniger reizvoll als damals, bevor er ihn vollzogen hatte.
Der Privatgang verbreiterte sich zu den königlichen Gemächern. Hohe Fenster blickten über den Spalt und das weite Land dahinter, füllten die Gewölbedecken und den hohen Raum mit Licht und einem Hauch von Holzrauch aus der Stadt. Dies waren die Räumlichkeiten, die König Simeon bewohnt hatte. Die Königin war in einem der holzverkleideten Bettgemächer gestorben. Aster hatte einige seiner ersten Schritte in dem von Kerzen erleuchteten Gang getan, durch den Geder sich bewegte. Dies war der Ort, an dem Aster aufgewachsen war. Als der Junge Geders Mündel geworden war, hatte Aster erwartet, diese Mauern jahrelang hinter sich zu lassen, nicht nur monatelang, und nun war er wieder da. Es war und würde immer eher Asters Zuhause sein als seines.
Geder wusste aus Erfahrung, dass es eine Weile dauern konnte, bis das Treffen, das er verlassen hatte, zu seinem tatsächlichen, wenn auch inoffiziellen Ende kam. Basrahip würde dortbleiben, und wenn die anderen ihre Worte mit Bedacht wählten, weil sie wussten, dass Geders rechte Hand noch unter ihnen weilte, wussten sie trotzdem nicht, wie viel der Priester dennoch aus der Mischung aus Wahrheit und Lügen schließen konnte. Und ein paar Minuten – eine Stunde oder zwei –, die Geder nur für sich hatte, waren ihm so willkommen, dass seine Gelenke ein klein wenig schmerzten.
Er hörte, wie Asters Stimme Verszeilen rezitierte, und dann den Tutor – einen alten Cinnae, der so zerbrechlich wirkte, dass er immer kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen schien. Geder folgte ihren Stimmen zum Studierzimmer und blieb einen Augenblick in den Schatten des Eingangs stehen.
Aster saß an einem kleinen Tisch und blickte zum Podium des Tutors auf. Der alte Cinnae lächelte ermutigend, und Aster begann von neuem mit dem Text.
»Informationen können ohne Übung niemals zu Wissen werden. Wissen kann ohne Schweigen niemals zu Weisheit werden. Und daher sind Übung und Schweigen, Handeln und Nicht-Handeln, das A und O auf dem Weg des rechten Mannes.«
»Marras Toca«, sagte Geder. »Ich wusste nicht, dass Ihr Militärphilosophie lehrt.«
Das dünne Lächeln des Tutors begrüßte ihn, als er den Raum betrat. »Ihr kennt diesen Text, mein Lordregent?«, fragte er.
»Ich habe ein Traktat gelesen, in dem er erwähnt wurde, das sehr bedeutend für mich war. Danach habe ich mich darum bemüht, etwas von seinem Werk zu finden. Ich habe im Verlauf des Winters eine Übersetzung davon angefertigt. Ich habe dabei nicht das Wort Schweigen benutzt. Ich dachte, Stille wäre dichter an der ursprünglichen Bedeutung.«
»Ich finde es langweilig«, warf Aster ein.
»Manches davon ist trocken«, sagte Geder. Der Raum war klein, wurde aber von der Sonne erwärmt. »Manches aber auch sehr interessant. Hast du den Abschnitt über die spirituellen Übungen gelesen?«
»Wie die Tricks eines Kundigen?«, fragte Aster, und seine Miene hellte sich ein wenig auf.
»Nein, es waren eher Wege, um sich im Denken zu üben. Wenn er von Schweigen oder Stille spricht, dann geht es nicht nur darum, nichts zu sagen. Er meint damit eine bestimmte technische Bedeutung.«
»Habt Ihr die Übungen durchgeführt, mein Lordregent?«, fragte der Tutor.
»Nein, eigentlich nicht, aber ich habe sehr viel darüber gelesen, und ich halte sie für sehr interessant. Sogar weise«, sagte Geder und beugte sich mit einem reuigen kleinen Grinsen dicht zu Aster. »Ich bin besser darin, über solche Dinge zu lesen, als sie selbst umzusetzen. Kann ich einen Blick in die Übersetzung werfen, die Ihr benutzt?«
Der Tutor beugte sich über das Podium und reichte ihm das Buch. Geder nahm es vorsichtig an. Es war sehr alt, in Leder gebunden und von Fäden zusammengehalten. Die Seiten waren aus Stoff und dicker als gewöhnlich, was dem Buch ein Gefühl von Festigkeit und Schwere verlieh. Geder blätterte ehrfürchtig darin.
»Es ist schön «, sagte er. »Wo habt Ihr es her?«
»Einer meiner Lehrer hat es
Weitere Kostenlose Bücher