Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
mir geschenkt, als ich kaum älter war als Prinz Aster«, erwiderte der Tutor lächelnd. »Ich habe es seither immer bei mir gehabt. Ich habe gehört, dass Ihr selbst eine sehr umfangreiche Bibliothek habt, mein Lordregent?«
»Nun, so weit würde ich nicht gehen. Ich hatte früher mehr Zeit zum Lesen. Und zum Übersetzen. Ich habe an einem Traktat gearbeitet, das den Geburtsdaten der Königshäuser von Elassae nachspürte, und darin wurde behauptet, dass die Timzinae zweimal jährlich eine Paarungszeit hätten. Die tatsächlichen Daten waren ein wenig lückenhaft, aber die Argumentation selbst war hervorragend.«
Aster seufzte und stützte die Ellbogen auf den Tisch, aber die Augen des alten Tutors leuchteten.
»Das klingt faszinierend, mein Herr. Erinnert Ihr Euch an den Namen des Autors?«
»Es war ein spekulatives Traktat und nur etwa dreihundert Jahre alt, daher hatte es eine Zuordnung, aber …«
»Ja, die ist nicht zu viel nütze. Nicht in jenen Tagen«, stimmte der Tutor zu.
Geder blätterte ein wenig, und der Stoff war weicher als Pergament unter seinen Fingerspitzen. Tocas Abhandlung über Karten von Schlachtfeldern sah anders aus als bei Geders Ausgabe. Es gab mindestens drei weitere Diagramme und eine Tabelle zum Vergleich, die ein späterer Schreiber hinzugefügt haben musste. Er folgte mit den Fingerspitzen den alten Tintenlinien.
»Könnte ich mir das ausleihen?«, fragte Geder. »Ich würde es gern mit meiner Ausgabe vergleichen.«
Das Gesicht des Tutors erstarrte, und mit den Händen machte er kleine Spinnenfäuste. »Natürlich, mein Herr«, sagte er. »Es wäre mir eine Ehre.«
»Danke«, erwiderte Geder. »Ich werde es zurückgeben. Ich stelle es nur schnell zu meinen Büchern, wenn es Euch nichts ausmacht.«
»Natürlich nicht«, sagte der Tutor.
»Heißt das, dass wir etwas anderes machen können?«, fragte Aster, als Geder hinausging. Die Stimme des Jungen klang hoffnungsvoll.
Geder ging weiter, die Seiten vor ihm geöffnet, und sein Finger folgte den Worten. Ein schwaches Glühen der Erregung wärmte ihn. Dies war keine Übersetzung, die er schon zuvor gesehen hatte, und der ursprüngliche Text schien vollständiger zu sein als der, mit dem er gearbeitet hatte.
Das Ziel des Krieges ist Frieden. Der kleine General führt seine Armee in die Schlacht, um den Sieg zu erringen, und daher wird ihn sein Wesen zwingen, dorthin zurückzukehren. Der tiefsinnige General führt seine Armee in die Schlacht, um den Sieg zu bestätigen, und daher wird ihn das Wesen der Welt zwingen, dorthin zurückzukehren. Der weise General führt seine Armee in die Schlacht, um die Welt neu zu gestalten, und daher schafft er einen Ort, an dem er nicht gebraucht wird.
Es ähnelte der Abschrift, die Geder besaß, überhaupt nicht. Seine Abschrift hatte, dessen war er sich beinahe sicher, die Zeile über den tiefsinnigen General nicht enthalten. Tiefsinnig war kein Begriff, den Toca häufig benutzte, und wenn er es tat, dann für gewöhnlich als Anspielung auf die Priesterschaft. Geder fragte sich, ob ein späterer Übersetzer eine Auseinandersetzung mit Kriegspriestern entfernt hatte.
»Ah«, ließ sich Basrahip vernehmen. »Ihr lauscht wieder den leeren Stimmen, Prinz Geder?«
Der Hohepriester war im Hauptraum, saß auf einer Bank mit Kissen, die Hände auf den Knien.
»Ich mag Bücher«, sagte Geder.
»Manche sind schön, aber sie sind Spielzeuge. Sie bedeuten nichts.«
»Nun«, erwiderte Geder, der das Buch schloss und zur Seite legte, »darin werden wir einfach immer unterschiedlicher Meinung sein.«
»Für den Augenblick«, stimmte Basrahip zu.
Geder setzte sich ans Fenster. Die nachmittägliche Sonne fiel schwer auf seinen Handrücken.
»Was habt Ihr herausgefunden?«
Es war kaum etwas dabei, was Geder nicht erwartet hatte. Der Hof war sicher, dass der Sieg kurz bevorstand, und es wurde Geder und seinem Verbündeten und früheren Gönner Dawson Kalliam angerechnet. Die Meinungen, wie man mit ihrem eroberten Nachbarn verfahren sollte, gingen ausei nander, aber es waren Unstimmigkeiten zwischen Ehrenmännern. Natürlich gab es Besonderheiten. Einer stimmte dafür, auf die Rückkehr des Barons von Wassermark aus Nordstade zu warten. Ein anderer dachte, dass eine Heirat zwischen Aster und der Prinzessin von Asterilreich, Lisbet, arrangiert werden sollte, sobald der Friedensvertrag eintraf. Geder könnte den Krieg lange genug hinauszögern, um die Ackerländer, Mühlen und Schiffswerften des Feindes
Weitere Kostenlose Bücher