Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
sich eine halbe gekochte Birne. Sie schmeckte sehr süß. »Nun ja«, sagte er mit vollem Mund. »Ich wünschte, ich sähe einen anderen Weg. Wirklich. Aber um Asters Sicherheit zu gewährleisten, denke ich nicht, dass wir unsere Feinde an der Macht lassen können. Wenn sie nicht unsere Freunde und Verbündeten sein können, haben sie ihre Wahl getroffen. Sie müssen sterben.«
D AWSON
KALTFEL STAND AUF EINER weiten Ebene und erhob sich inmitten langgezogener Ackerflächen wie ein merkwürdiger Traum. Die Türme und Dächer waren aus rotem Stein, und die Mauern ragten vier Mann hoch auf. In freundlicheren Tagen war es die Heimstatt der besten Züchter von Botenvögeln gewesen. Man sagte, dass ein in Kaltfel gezüchteter Vogel mit den Geheimnissen der Drachen ausgestattet war, und nach allem, was Dawson wusste, mochte das stimmen. Dawson war als junger Mann bereits hier gewesen. Er erinnerte sich noch an die hellen Straßen und den scharfen Pfeffer und die Schokolade, mit der sie hier ihren Kaffee würzten. Er hatte ein D uell auf dem sonderbar dreieckigen Platz ausgetragen, den der Hof von Asterilreich dazu benutzte, und es gewonnen. Anschließend hatte er sich betrunken und war im Zimmer eines Fremden erwacht, Prinz Simeon neben sich.
Der Tag, an dem seine Armee vor der Königsstadt von Asterilreich eintraf, hatte mit dem Niederbrennen jeglicher Gebäude begonnen, die vor den Stadtmauern standen – Bauernhöfe, Lager, Ställe, Gerbereien, Färberhöfe. Was noch stand, nachdem der Rauch sich verzogen hatte, hatten sie niedergerissen, mit Ausnahme der Nekropolis östlich der Stadt. Vor den Gräbern hatte er Achtung. Antea hatte keine Händel mit den Toten. Danach hatten seine Ingenieure angefangen, Belagerungsmaschinen zu bauen. Bliden und Katapulte ließen Steine auf die großen roten Mauern und versiegelten Tore herabregnen. Sie arbeiteten in Gruppen, trugen sieben Tage lang Tag und Nacht die Mauerspitzen ab. Zur Morgen- und Abenddämmerung schickte er Läufer durch sein Lager, die den Kot und die Abfälle des Tages einsammelten, richtete ein Katapult neu aus und ließ alles auf die Stadt hinabregnen. Bald steuerten seine Männer anderen Unrat bei – tote Katzen und blutige Bandagen, verdorbenes Fleisch, das von Maden wimmelte. Die Tore öffneten sich nicht. Der Feind zeigte sich nicht. Dawson hatte es nicht anders erwartet. Am neunten Tag der Belagerung hatte ein Späher eine Stelle entdeckt, wo sich das Abwasser der Stadt durch ein vergrabenes Rohrnetz in einen verborgenen Ablauf ergoss. Dawsons Ingenieure hatten es zerstört.
Als ihnen die Steine ausgingen, verlegten sie sich auf in Teer getränktes Holz, das angezündet wurde. Drei weitere Tage widerstand Kaltfel dem Feuerregen. Zweimal setzte sich Rauch über der Stadt fest, zweimal trieben die Belagerten die Flammen zurück. Am zehnten Tag sah Dawson das erste Zeichen der Hoffnung. Die Vögel wurden freigelassen. Die großen Schwärme wirbelten um die Türme, verwirrt und auf der Suche nach einem Weg zurück nach Hause. Bei Sonnenuntergang flogen sie nach Norden. Dawson zog in Erwägung, ihnen Jäger nachzuschicken und die toten Körper der Tauben und Krähen über die Mauern werfen zu lassen. Er entschied sich dagegen. Die Vögel und die Toten also. Sie konnten fliehen.
Simeon hatte Kaltfel geliebt. Die Hofsitten hatten dort lediglich einen Hauch von Exotik verströmt. Waren sowohl vertraut als auch fremd gewesen. Die Männer und Frauen sprachen mit einem leichten Akzent, betonten ihre langen Vokale auf eine Art und Weise, die sogar die Erstgeborenen unter ihnen fremder wirken ließ als die Jasuru oder Timzinae zu Hause in Camnipol. Der Palast des Königs stand vor einem weiten, offenen Platz, wo tausend Mädchen für sie getanzt hatten. Weitere Steine trafen aus einem Steinbruch ein, den seine Soldaten im Norden eingenommen hatten, und der Angriff auf die Mauern begann erneut. In einer Nacht schlich sich eine Handvoll verzweifelter Soldaten aus der Stadt und nutzte den Schutz der Dunkelheit, um die Katapulte anzuzünden. Sie schafften es, zwei zu zerstören, ehe man sie erwischte, und Dawson schickte sie zurück, indem er ein drittes benutzte. Er tötete sie vorher nicht.
Und jeden Morgen kamen die drei Priester zu ihm.
Dawson saß mit bloßen Beinen auf seinem ledernden Feldstuhl, während sein Knappe ihm Zecken zog. Der helle, feuchte Sommermorgen wirkte, als würde man in einem See schwimmen. Die Priester, Geschöpfe der Wüste, schienen es zu
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