Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Tische mit Süßigkeiten waren für die Feier der Kinder hergebracht worden. Es würde den ganzen Vormittag lang Spiele und Wettbewerbe geben, mit Preisen für die Gewinner, die in die Farben des Hauses Kalliam eingewickelt und mit Dawsons eingraviertem Namen versehen waren. Geder hatte vor, sich am Mittag dazuzugesellen, wenn das erste Festmahl nahte. Dawson würde dort sein und Lady Kalliam. Und mit etwas Glück auch Jorey mit seiner neuen Gemahlin Sabiha.
Er schritt durch die breiten Gänge der Königshöhe, so dass die Diener und Sklaven vor ihm auseinanderstoben, allein aufgrund seiner Anwesenheit, und er fragte sich, wie es wohl für Jorey war. Er konnte ihn sich verheiratet nicht so recht vorstellen, obwohl er bei der Vermählung dabei gewesen war. Jeden Tag aufzuwachen, aber nicht vor einer Schar von beinahe Fremden, sondern bei einer Frau. Einer bestimmten Frau. Vor jemandem nackt zu sein, von dem die Etikette nicht erforderte, dass er den Blick abwandte. Der Gedanke allein reichte schon, um ihm ein Ziehen in der Brust zu bescheren, wenn auch nur ein kleines bisschen.
Und jetzt, wie konnte er da je wissen, ob eine Frau ihn wollte oder nur die Position, in die er hineingestolpert war? Über den Akt selbst hatte er genug gelesen, um eine Ahnung davon zu haben. In manchen Büchern hatten sich sogar Diagramme gefunden. Das war nicht das Schwierige. Es war die Angst, die tausend Mal schlimmer war als sein Unbehagen mit der Dienerschaft am Morgen, dass sie – diese unausgestaltete, allgemeingültige Sie – mit ihm zusammen sein würde, weil er der Lordregent war. Dass sie Liebe und Lust genauso sorgsam vortäuschen würde, wie die anderen ihre Teilnahmslosigkeit vortäuschten. Diesen Gedanken konnte er nicht ertragen.
Er konnte den Tod von Königen und die Zerstörung von Königreichen befehlen, und was er die meiste Zeit über fühlte, war Einsamkeit. Einsamkeit und Neid darauf, dass seine Freunde etwas hatten, das er nicht haben konnte. Der Einzige, der ihn wirklich verstand, war Aster, und Geder konnte über so etwas nicht mit einem Kind reden. Ein Junge, den er schützen und für die Krone erziehen sollte. Nein. Unmöglich.
»Mein Lord Geder«, sagte Basrahip. Seine unerschütterliche Stimme hallte ein wenig.
»Guten Morgen«, sagte Geder. »Ich habe gerade … ich habe gerade nichts sonderlich Sinnvolles oder Nützliches getan. Ist alles in Ordnung?«
»Meine Gefährten und ich hören Dinge, die mich beunruhigen, Prinz Geder.«
»Lordregent.«
»Lordregent. Ich mache mir Sorgen, dass es zu Unruhen kommen könnte. Jene, die die Täuschung zu sehr lieben und die Gerechtigkeit der Göttin fürchten, spüren ihre Gegenwart, und sie tun keine Buße.« Basrahip beugte sich dichter heran, und seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Ihr müsst aufpassen. Die Welt sieht hell und unschuldig aus, aber es liegen Gefahren darin.«
Eine kalte Furcht legte sich um Geders Schultern. Er sank in sich zusammen, auf den Priester zu. »Was sollen wir tun?«, fragte er.
Basrahip lächelte. »Kommt mit mir«, sagte er. »Und nehmen wir Eure Wächter mit.«
Der Raum war ein alter Ballsaal, bei dem sich niemand mehr daran erinnerte, wann er zum letzten Mal genutzt worden war. Das Licht war schlecht, und der Boden war so ramponiert, dass nur noch Splitter und Holzblöcke übrig waren. Reihen mit Bänken stiegen auf drei Seiten steil empor wie bei einem Theater, und die letzte Bankreihe war so hoch oben, dass sie beinahe an die gewölbte Decke stieß. In der obersten Reihe standen die Priester der Göttin. Mindestens zwanzig von ihnen. Sie hatten Schwerter an den Seiten und Armbrüste in den Händen. Geder hörte, wie einer seiner Leibgardisten aufkeuchte. Basrahip bedeutete Geder stehen zu bleiben, dann ging er zur Mitte der ersten Bankreihe. Er winkte Geder zu sich, damit er sich neben ihn stellte. Die Leibgarde bezog an der Wand Stellung, aber Geder konnte sehen, wie ihre Blicke durch den Raum schweiften.
Basrahip deutete auf den Mann, der am weitesten links stand. »Du, mein Freund. Tritt bitte vor.«
Der Wächter rührte sich nicht.
»Es ist in Ordnung«, sagte Geder. »Tut, was er verlangt.«
Der Mann trat vor und stellte sich in die Mitte des Raumes. In der Düsternis wirkte er wie ein Schauspieler, der gleich eine Rede halten würde. Geder hatte von den Wächtern zuvor nie als Personen gedacht. Dieser Mann sah aus, als wäre er in den Vierzigern, mit einer blassen Narbe, die an seinen Kieferknochen entlang
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