Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
nicht«, bestätigte Clara, und ein melancholischer Unterton schlich sich in ihre Stimme. »Trotzdem sind wir alle manchmal leicht zu überzeugen. Ich hätte mich dir schon Monate, bevor du dem Ganzen zu einem anständigen Anstrich verholfen hast, hingegeben, und wir erinnern uns beide daran.«
Dawsons Körper begann sich unwillentlich zu regen. »Du versuchst mich abzulenken.«
»Es funktioniert«, sagte Clara. »Unvorsichtigkeit und Pech machen sie noch nicht zu einem schlechten Menschen. Oder einer schlechten Ehefrau. Gib der Sache etwas Zeit und lass mich sehen, was ich über sie herausfinden kann, wenn wir wieder in Camnipol sind. Lord Skestinin könnte einen sehr guten Verbündeten abgeben, wenn Jorey seiner gefallenen Tochter hilft, wieder auf die Beine zu kommen. Und wirklich, Liebling, sie könnten verliebt sein.«
Sie streckte die Hand aus und zog ihn zu sich, damit er sich neben sie setzte. Ihre Haut war nicht mehr so glatt wie vor zwei Jahrzehnten und vier Kindern, aber sie war immer noch weich. Die Heiterkeit in ihrem Blick ließ auch in seinem Herzen Milde aufkommen. Er nahm ihr die Pfeife aus dem Mund, beugte sich vor und küsste sie sanft, und sein Mund füllte sich mit ihrem Rauch. Als er sich zurückzog, lächelte sie.
»Solange sie nicht untreu ist«, sagte Dawson mit einem Seufzen. »Ich werde niemanden in meiner Familie dulden, der untreu ist.«
Ein Schatten schien sich auf Claras Blick zu legen, ein Augenblick der Dunkelheit und nicht mehr als das.
»Wenn es so weit ist«, sagte sie. »Wir können uns darüber den Kopf zerbrechen, wenn es so weit ist.«
H AUPTMANN M ARCUS W ESTER
ES WAR EINE WOCHE nach seinem neununddreißigsten Be nennungstag, und Marcus hockte am Ausgang einer Gasse und wartete. Leichter Regen fiel auf die nachtschwarzen Straßen, perlte über den gewachsten Wollstoff seines Mantels. Yardem stand hinter ihm in den Schatten, unsichtbar, aber da. Im Haus auf der anderen Seite des schmalen Platzes ging eine Gestalt vor dem Fenster vorbei – ein Mann, der in die Dunkelheit starrte. Jemand mit weniger Erfahrung wäre vielleicht einen Schritt zurückgetreten, aber Wester wusste, wie man ungesehen blieb. Der Mann im Fenster zog sich zurück. Das Klopfen der Regentropfen auf dem Stein war das einzige Geräusch.
»Es ist ja nicht so, als könnte ich ihr befehlen, was sie tun soll«, sagte Marcus.
»Nein, Hauptmann.«
»Sie ist eine erwachsene Frau. Na ja, sie ist beinahe eine erwachsene Frau. Auf jeden Fall ist sie kein Kind mehr.«
»Es ist ein schwer fassbares Alter, Hauptmann«, stimmte Yardem zu.
»Sie will die Kontrolle über ihr Leben. Unabhängigkeit. Die Sache ist die, dass sie ihr ganzes Leben lang kein bisschen davon hatte und dann alles auf einmal. Und lange genug, um festzustellen, dass sie gut zurechtkommt. Nachdem sie auf den Geschmack gekommen ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie darauf wieder verzichten wird.«
»Ja, Hauptmann.«
Marcus seufzte, sein Atem wurde dabei kaum sichtbar. Es war ein warmer Frühling. Er klopfte mit den Fingerspitzen auf den Griff seines Schwertes. Ärger und Sorge nagten an ihm wie Ratten an der faserigen Dämmung von Hausmauern.
»Ich könnte mit ihr sprechen«, erklärte er schließlich. »Ich könnte ihr sagen, dass sie Geduld haben muss. Der ganzen Sache Zeit lassen muss, sich von selbst zu ändern. Ob sie darauf wohl hört, was meinst du?«
Einen Moment lang war der Regen die einzige Antwort.
»Wollt Ihr wirklich, dass ich darauf eingehe?«, fragte der Tralgu.
»Ich habe dich um deine Meinung gebeten, oder?«
»Hätte eine rhetorische Frage sein können.«
Auf der anderen Seite des Platzes ließ ein schmaler Streifen Licht erkennen, dass eine Tür geöffnet wurde. Marcus verharrte ein paar Sekunden reglos, die Tür schloss sich jedoch wieder, ohne ganz geöffnet worden zu sein. Er lockerte den Griff um sein Schwert.
»Nein, ich habe es ernst gemeint«, fuhr er fort. »Sie ist meine Arbeitgeberin, aber sie ist auch … Cithrin. Wenn du dazu einen Vorschlag hast, bin ich ganz offen dafür.«
»Nun, Hauptmann, ich glaube, dass jede Seele ihre eigene Form besitzt …«
»Oh Gott. Nicht das schon wieder.«
»Ihr habt gefragt, Hauptmann. Vielleicht wollt Ihr mich auch antworten lassen.«
»Gut, tut mir leid. Sprich weiter. Ich werde mir einfach einreden, dass es alles eine Metapher für irgendwas ist.«
Yardems Seufzen war beredt, aber er fuhr fort. »Jede Seele hat ihre eigene Form, und diese bestimmt den
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