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Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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solle sich eine andere Arbeit suchen. Sein Plan, eine Kampfschule zu gründen, war gut gewesen. Wenn er es durchgezogen hätte, wäre er vermutlich mit einem guten Ruf und genug Geld gestorben, um alle Kinder zu versorgen, die er bis dahin gezeugt haben könnte. Stattdessen scharrte sein Fuß über die Pflastersteine, und sein Schwert zischte durch die regenschwere Nachtluft. Marcus hielt sein Schwert zur Abwehr bereit und machte einen Schritt zurück, um außerhalb seiner Reichweite zu stehen.
    Oder vermutlich außerhalb seiner Reichweite. Wenn es auch nur einen kleinen Lichtschimmer gegeben hätte, wäre es sicherer gewesen als das, was sie jetzt taten: In der Dunkelheit konnte Canin Mise genauso wenig seine Angriffe einschätzen, wie Marcus ihnen ausweichen konnte. Marcus strengte seine Sinne an, lauschte auf die leisen Geräusche, die ihn lenken konnten, versuchte den Druck der Luft zu beurteilen. Es war weniger ein Schwertkampf als ein Wettspiel. Marcus glitt nach vorn und versuchte sich an einem forschenden Hieb. Metall klirrte auf Metall, und Canin Mise japste vor Überraschung. Marcus drang mit einem Schrei weiter auf ihn ein, den Gegenschlag wehrte er instinktiv ab.
    Canin Mise schrie, ein Brüllen aus vollster Kehle, in dem Wut und Gewaltbereitschaft lagen. Er brach plötzlich ab. Seine Klinge fiel scheppernd auf das Pflaster. Leise, feuchte, erstickte Töne drangen durch die Dunkelheit heran, und Fersen trommelten platschend in Pfützen. Die Geräusche wurden leiser und hörten dann auf.
    »Hast du ihn?«, fragte Marcus.
    »Ja, Hauptmann«, erwiderte Yardem. »Ihr nehmt dann wohl seine Fersen.«
    »Also«, sagte Marcus, »behauptest du, jemand wird sich der Form seiner eigenen Seele zuwiderlaufend entscheiden, wenn eine Seele mit einer anderen Form mit ihm im Zimmer ist?« Die Stiefel von Canin Mise waren rutschig, die Beine des ohnmächtigen Mannes schlaff und schwer.
    »Ich sage nicht, dass es geschehen wird, aber dass man durch diesen Umstand die Möglichkeit dazu herbeiführt. Die Welt hat keinen eigenen Willen, also kann sie das nicht. Eine Handlung, die von außen kommt, kann die Wahrnehmung anderer Möglichkeiten verändern. Fertig, Hauptmann?«
    »Warte.« Marcus tastete mit dem Fuß in der Dunkelheit herum, bis er das Schwert des Mannes fand. Er hob es mit dem Stiefel an, bis der Stahl nahe genug war, um ihn mit seinen bereits belasteten Fingern zu packen. Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, wenn ein Pferd oder ein Mensch in der Dunkelheit auf eine offen daliegende Klinge trat. Und sie würden ein paar Münzen dafür bekommen. Wahrscheinlich mehr, als er für das Darlehen zurückgezahlt hatte. »In Ordnung. Bringen wir ihn zum Magistrat.«
    »Ja, Hauptmann.«
    »Also wird sich womöglich nichts zum Besseren wenden, wenn man mit ihr spricht, aber den Mund halten hilft auf jeden Fall überhaupt nicht?«
    »Genau, Hauptmann«, erwiderte Yardem, als sie im langsamen Trott loszogen, während Canin Mise zwischen ihnen herabhing wie ein Sack.
    »Und das hast du nicht einfach so sagen können?«
    Marcus spürte Yardems Schulterzucken, das sich durch ihre geteilte Last fortpflanzte.
    »Dachte, es schadet nichts, Hauptmann. Wir hatten ja sonst nichts zu tun.«
    Der öffentliche Kerker von Porte Oliva wirkte im ersten Licht der Dämmerung wie ein Statuengarten. Gefangene mit blauen Lippen duckten sich unter jedwede Plane oder Decke, die die Königinnengarde geruht hatte, ihnen überzuwerfen. Die Holzpodeste, auf denen sie standen oder hockten, waren dunkel vom Regen. Ein Kurtadam, dem man alle Perlen aus dem Pelz gerissen hatte, stand vornübergebeugt mit einem Schild aus geschnitztem Holz auf der Hüfte, das besagte, dass er seine Steuern nicht bezahlt hatte. Eine Cinnae stöhnte und weinte am Ende einer Eisenkette, deren Rost ihre blasse Haut verschmierte, weil sie ihre Kinder zurückgelassen hatte. Drei Erstgeborene hingen an den Galgen in der Mitte, unbeeinträchtigt von der Kälte.
    Im Westen befand sich ein riesiges Bauwerk aus Ziegelstein und Glas, der Palast des Statthalters. Im Osten lagen die weißen Marmorhallen des Hohetempels. Das göttliche Gesetz auf einer Seite, das menschliche Gesetz auf der anderen und dazwischen ein Haufen armer Mistkerle, die vor Kälte starben, weil sie das Pech hatten, erwischt worden zu sein. Es kam Marcus vor wie die ganze Welt auf kleinem Raum.
    Im Norden begann das breite, sanfte Grün der Drachenstraße, die in ewiger Unveränderlichkeit hinaus zu dem Netz

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