Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
sein mochten. Dort war es zu eng für alles, was größer als eine Katze war, und der Staub auf dem Boden war dick und niemals von menschlichen Füßen berührt worden. Überall stank es nach Katze, aber Geder stellte fest, dass der Geruch mit der Zeit weniger aufdringlich wurde.
»Nun«, sagte Cithrin. »Das wird doch wunderbar passen.«
»Wir sollten uns hinten weiter umsehen«, sagte Aster. »Vielleicht gibt es einen anderen Weg hinaus.«
»Besser nicht. Diesen Weg benutzt niemand. Wenn wir weiter hineingehen und auf einen Ort stoßen, den jemand regelmäßig aufsucht, werden wir womöglich entdeckt. Wir bleiben besser hier, wo nie jemand hingeht.«
»Wer sollte denn hier unten sein?«, fragte Geder. »Das hier ist ein Loch. Wortwörtlich. Es ist ein Loch im Boden.«
»Jede Stadt der Welt hat ihre Armen«, sagte Cithrin. »Und nennt es, wie Ihr wollt. Es ist ein Unterschlupf. Deshalb sind wir hier.«
Es war der Verrat, der Geder verfolgte, weniger die Gewalt. Er lag in der Dunkelheit, die Hände hinter dem Kopf ver schränkt. Cithrin war hinausgegangen, um nach Nahrung und Neuigkeiten zu suchen. Die Katzen, deren Bau sie sich angeeignet hatten, hielten sich fern, abgesehen vom gelegentlichen fernen Kratzen ihrer Krallen auf Stein. Asters tiefer, regelmäßiger Atem bedeutete, dass der Junge schlief. Er wünschte, er hätte ebenfalls schlafen können.
Wenn er die Augen schloss, sah er Dawson Kalliam. Er sah das Messer in seiner Hand und das Blut auf Basrahips Fingern. Es ergab keinen Sinn. Er war Joreys Vater. Geder hatte diesem Mann dabei geholfen, Feldin Maas bloßzustellen und zu vernichten. Er hatte Dawson seine Armeen anvertraut. Dawson Kalliam war ein Freund. Ein Gönner. Wieder sah er das Messer, den kalten Hass in Dawsons Augen.
Wenn Dawson ein Feind war, dann konnte jeder ein Feind sein. Aus jedem beliebigen Grund oder gar keinem.
Es war schrecklich und erdrückend, und da Aster schlief und es nicht mitbekommen konnte, ließ Geder den Tränen der Angst und Verzweiflung eine Weile ihren Lauf.
Leise Geräusche waren hier unten hörbar: die Katzen, die immer noch weiter drinnen herumstrichen, wie zögerliche Späher, die näher kamen und dann panisch davonhuschten. Es gab weder Ratten noch Mäuse – die Beute wurde, wie Geder annahm, vom Gestank der Raubtiere vertrieben. Hin und wieder hörte er auch das Klicken von Kieselsteinen und Steinsplittern, wenn sich das Gefüge ein wenig verschob. Im Lauf der Jahre und Jahrhunderte würden jene kleinen Steinbrocken und Bäche aus Regenwasser Orte wie diesen langsam auffüllen. Einst waren Männer und Frauen über diese Steine gewandelt, hatten die Veilchen in jenen Beeten bewundert. Nun war sogar das Sonnenlicht verschwunden. Und eines Tages würden Sand und Stein diese kleine Luftblase erobern. Unter Camnipol konnte alles begraben liegen, und niemand würde es je finden. Es war eine Stadt, die auf verschollenen Dingen errichtet war.
Jemand keuchte. In dem winzigen Zugang wurden Steine verschoben. Geder richtete sich auf und leckte sich nervös über die Lippen. Er konnte überhaupt nichts erkennen. Die Dunkelheit war vollkommen. Er zog seinen kleinen Dolch, und seine Atemzüge gingen stoßweise.
»Seid Ihr wach?«, fragte Cithrin, und Geder seufzte schwer.
»Ich schon«, sagte er leise. »Aster schläft.«
»In Ordnung«, erwiderte sie. »Würdet Ihr mir eine Kerze anzünden? Ich habe mich nicht getraut, während ich noch draußen war.«
»Weshalb nicht?«
»Es ist Nacht. Jemand könnte es sehen.«
Geder zündete die Kerze an, und die Frau glitt herab in den versunkenen Garten. Ihr Haar war zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengefasst, und ihre Hände und Knie waren mit Staub und Schmutz überzogen. Ihre Haut, bleich wie bei einem Geist, schien im Kerzenlicht beinahe zu glühen. Da ihr Mischlingsblut so dünn war, wirkte sie zerbrechlich, schwach. Nur die Art, wie sie sich hielt, und das Selbstvertrauen in ihren Bewegungen entlarvten diese Lüge. Wäre sie eine Erstgeborene gewesen, hätte er sie für nicht viel mehr als ein Mädchen gehalten, zumindest, was ihre glatte Haut betraf. Aber sie war die Magistra einer Bank und vermutlich älter als er. Eine Frau, die die Welt bereiste. Sie kniete sich hin, knüpfte das Seil an ihrem Knöchel auf und zerrte daran. Das Brett schlitterte und schabte über den Stein, während sie es zu ihnen herzog.
»Die Neuigkeiten sind nicht gut«, sagte sie leise, als wollte sie den Prinzen nicht wecken. »In den
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