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Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
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sie geliebt, aber sie haben mich nicht geliebt. Cam vielleicht. Aber Magister Imaniel hat niemanden geliebt. Ein solcher Mann war er nicht. Es hat mich geschmerzt, als sie gestorben sind, aber …«
    »Aber?«
    »Aber ich weiß nicht, wer ich wäre, wenn sie noch leben würden«, erklärte sie. Sie sprach mit der Deutlichkeit eines Menschen, der gerade betrunken genug war, um zu wissen, dass er sich bemühen musste, nicht undeutlich zu sprechen. »Ich habe sie vermisst. Und ich habe um sie getrauert, glaube ich. Aber ich mag das, was ich bin. Was ich tue. Ich freue mich auf alles. Die Dinge, die sich ereignet haben, um mich hierherzubringen? Ich kann sie nicht beurteilen. Gut. Schlecht. Wer wäre ich, wenn ich Eltern gehabt hätte? Wer wäre ich, wenn ich nach Carse gegangen wäre? Wenn etwas Schreckliches zu etwas Gutem führt, wo steht man dann selbst?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er, obwohl er den Teil nicht verstand, als sie davon gesprochen hatte, nach Carse zu gehen. Sie war aus Carse gekommen, also musste sie irgendwann hingegangen sein.
    Sie führte den Weinschlauch an den Mund, neigte den Kopf nach hinten. Ihre Kehle arbeitete, einmal, zweimal, zum letzten Mal. Ein winziges rotes Rinnsal lief ihr über die Lippen, und sie wischte es mit dem Ärmel ab. Als sie lächelte, war es ein träger und beinahe freudiger Gesichtsausdruck, völlig fehl am Platz in den Ruinen einer Stadt im Kriegszustand.
    »Ich«, sagte sie, während sie den leeren Weinschlauch auf den Boden legte, »bin jetzt betrunken genug, um zu schlafen.«
    »Nun gut. Gute Nacht, Magistra.«
    Sie nickte ihm zu, eine unsichere Verbeugung, aber ihre Augen waren hell und fröhlich. »Schlaft gut, Lordregent. Wir werden sehen, wer einen Platz für den Pisspott suchen muss«, sagte sie, beugte sich mit geschürzten Lippen nach vorn und blies die Kerze aus.
    Die Dunkelheit war außerordentlich und vollkommen. Sie suchten sich ihre jeweilige Decke, indem sie danach tasteten, und rollten sich darin ein. Die Schwellungen auf Geders Arm juckten, aber nicht schlimm. Er hörte, wie sie mit ihrer eigenen Decke kämpfte, leise fluchte und sich umdrehte, Stoff bewegte sich an Stoff. Ihr Atem war flach und ungeduldig, dann leiser, tiefer, voller. Sie schnarchte ein wenig, ein Rasseln weit oben in der Kehle. Geder lag auf dem schmutzigen Boden, sein Arm diente ihm als Kissen. Er hörte das Tappen weicher Katzenpfoten, einer ihrer Vormieter, der von dem Geruch nach Hühnchen angezogen wurde. Das gehetzte Lecken einer kleinen, rauen Zunge. Als er sich bewegte, floh die Katze, und es tat ihm leid, dass er es getan hatte. Es machte ihm nichts aus, das zu teilen, was von der Mahlzeit übrig war.
    Er hatte nicht bemerkt, wie die kleine Kerzenflamme den Raum gewärmt hatte, aber die Luft wurde stetig kälter. Er zwang sich dazu zu schlafen, zählte seine Atemzüge, wie er es getan hatte, als er jünger gewesen war. Ging seinen ganzen Körper durch, zwang jeden Muskel dazu, sich zu entspannen, angefangen bei den Füßen und endend ganz oben auf seinem Kopf. Es wurde kälter, aber es machte ihm weniger aus. Langsam, Stück für Stück, spürte er, wie sein Verstand losließ, wie er langsam fort in die stille Dunkelheit glitt. Als sie sich umdrehte und ihn berührte, fiel ihm nur halb auf, dass sie da war.
    Sein letzter zusammenhängender Gedanke war, dass er neben einer Frau schlief und es kein bisschen seltsam wirkte.

D AWSON
    DIE SCHLACHT UM CAMNIPOL ging nun schon länger als eine Woche, Gewalt folgte auf Gewalt, Angriff führte zur Vergeltung, was wiederum zur Vergeltung führte. Zweimal hatten inzwischen Feinde versucht, die Tore zu öffnen, und beide Male waren sie zurückgetrieben worden. Die Nahrungsvorräte der Stadt wurden knapper, der Wasserspiegel in den Zisternen sank. Die hochsommerliche Sonne hatte sich zusammen mit der schlimmsten Hitze seit Jahren der Schlacht angeschlossen. Sie hämmerte von einem unerbittlich blauen Himmel herab, verwandelte alle Dächer in brennende Bronze, ließ Blumen verkümmern und trieb Männer in den Wahnsinn.
    Dawson stand auf dem Dach von Alan Klins Anwesen, die Arme hinter sich, das Kinn mit einer Zuversicht nach vorn gereckt, die er nicht verspürte. Seine Stadt litt. Sein Land litt. Asterilreich hätte seine Armee neu versammeln und in diesem Augenblick vor den Mauern stehen können, und Dawson hätte es nicht nur nicht gewusst, es hätte auch keine Rolle gespielt. Die Belagerung, die sie sich selbst auferlegten, war genauso

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