Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Straßen wird noch gekämpft. Zum Teil sind es Leibgarden und Adelshäuser, aber es sind auch Plünderer unterwegs. Ganze Horden davon. Wenn es aussieht, als würde das Haus eines Adligen leer stehen, räumen sie es bis auf die nackten Wände aus. Und es scheint so zu sein, als würden einige alte Racheschwüre fällig. Fünf Männer in Masken haben heute Nachmittag einen Kaufmann namens Deron Rut entführt und ihn von einer Brücke geworfen, und niemand scheint zu wissen, weshalb.«
»Was ist mit Basrahip?«
»Der Tempel ist angesengt, aber er steht noch. Mikel und Sandr haben dort niemanden entdeckt, auch keine Leichen. Es gibt Gerüchte, dass die Priester gesehen wurden, aber bislang haben wir keinen gefunden.«
Er beugte sich vor und schüttelte den Kopf. Die Anspannung in seinen Schultern war schmerzhaft. Es war alles zu viel. Alles brach zusammen. Und wenn er weder Basrahip noch Dawson hatte, konnte er sich nicht vorstellen, was er tun würde, wenn er je wieder aus der Erde hervorkam.
»Was ist mit der Stadtwache?«, fragte er. »Was macht die?«
Cithrin streckte sich mit einem Knurren in die Dunkelheit des Zugangs und zerrte das Brett heraus und hinter sich her. »Sie haben alle Hände voll zu tun«, sagte sie. »Dort draußen gibt es kein Gesetz mehr. Ganz ehrlich? Wir drei sind heute Nacht wahrscheinlich die sichersten Leute in ganz Camnipol.«
»Außer, Eure Freunde verraten uns«, merkte er an.
»Abgesehen davon, ja«, stimmte sie zu, nahm etwas von dem Brett, das in Stoff gewickelt war, und stellte es zu ihren Füßen auf den Boden. »Das ist bei ihnen aber nicht sehr wahrscheinlich.«
»Weshalb nicht?«, fragte Geder und dachte wieder an Dawson Kalliams Gesicht. An das Blut auf seinem Messer. »Jeder von ihnen könnte es tun. Weshalb sollten sie nicht?«
»Eine von ihnen hat es getan«, erwiderte sie. »Sie haben gesehen, wie es ausgegangen ist.«
Sie nahm ein Gefäß von dem Brett und dann drei Weinschläuche. Das Letzte, was auf dem Brett war, war ein blecherner Nachttopf, den sie mit einem reumütigen Lächeln ins Kerzenlicht hielt.
»Ich hätte beinahe das Notwendigste vergessen«, sagte sie. »Was meint Ihr, erklären wir den Baum dort drüben zur Privatsphäre, oder sollen wir einen Ort suchen, der etwas weiter entfernt liegt?«
Geder versuchte sich vorzustellen, wie er sich dort erleichterte, wo sie ihn hören konnte, und er spürte die Röte heiß in den Wangen. »Weiter weg wäre besser, meint Ihr nicht?«
»In Ordnung«, sagte sie. »Der Erste, der ihn braucht, sucht eine Stelle aus.«
Im Licht der einzelnen Kerze wickelte sie den Stoff auf. Darin war genug Essen für einige kleine Mahlzeiten: gebratenes Huhn, rohe Karotten, die nicht dicker waren als ihre Finger, ein halbes Kaninchen, das in Wein gekocht war, harte Brötchen, die so altbacken waren, dass sie hohl klangen, als sie aneinanderstießen. Sie setzten sich gemeinsam in der Düsternis hin. Sie erwies sich als sichere Weintrinkerin, woraus lange Gewöhnung sprach, und Geder stellte fest, dass er sich bemühen musste, um mitzuhalten. Als vom Hühnchen nur noch Knochen und Fett übrig waren, hatten sie gerade den dritten Weinschlauch geöffnet, und die Art, wie sie ihn hielt, ließ ihn vermuten, dass er geleert sein würde, ehe sie einschlief.
Aster schnarchte sanft in seinen Decken und murmelte vor sich hin.
»Er kommt ganz gut mit alldem zurecht«, sagte Cithrin und nickte in Richtung des schlafenden Jungen.
»Er ist gut darin, eine Fassade aufrechtzuerhalten«, erwiderte Geder. »Er hat aber eine schwere Zeit hinter sich. Er hat in jungen Jahren seine Mutter verloren und nun seinen Vater. Und dazu kommt das Gewicht der Krone.«
»Es scheint mir nicht gerecht, dass alles so viel schwerer ist, wenn man für den Thron geboren wurde«, sagte sie. »Man möchte meinen, die Macht würde sich mit mehr Vorteilen einschmeicheln.«
»Was? Ihr seid also nicht der Ansicht, dass alles bestens läuft?«, fragte er.
Einen Augenblick lang lachte sie nicht, und er war erleichtert, als sie es doch tat.
»Ich nehme an, für Euch ist es etwas Ungewöhnliches, Lordregent«, sagte sie. »Aber Ihr seid als Adliger aufgewachsen, genauso wie der Prinz. Ihr versteht, was für eine Last er trägt.«
»Eigentlich nicht. Ich meine, ich gehe davon aus, dass ich inzwischen die gleiche Stellung wie er bekleide, aber zuvor war ich sehr weit unten. Er hingegen hat von dem Augenblick an, als er sprechen konnte, gewusst, dass seine Bestimmung der
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