Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Hanover
Vom Netzwerk:
Taube – oder eine andere von ihrer Sorte – landete an der Kante des Gebäudes und betrachtete die beiden mit feuchten schwarzen Augen.
    »Nun, Yardem. Der Tag, an dem du mich in einen Graben wirfst und den Befehl über den Trupp übernimmst?«
    »Hauptmann?«
    »Der ist nicht heute.«
    »Gut zu wissen, Hauptmann.«
    »Glaubst du, Merian hätte einen guten Bankier abgegeben?«
    »Schwer zu sagen, Hauptmann. Ich kann es mir vorstellen, durchaus, wenn sie sich dazu entschieden hätte.«
    »Ich glaube, ich werde mich ein wenig ausruhen. Und mich dem Pykkel morgen stellen.«
    »Ja, Hauptmann. Und dann noch …« Yardem räusperte sich, ein tiefes, fernes Grollen. »Wenn ich zu weit gegangen bin …«
    »Es ist deine Aufgabe, zu weit zu gehen. Wenn es notwendig ist, solltest du immer zu weit gehen. Alle anderen haben zu viel Respekt vor mir«, sagte Marcus. »Na ja, bis auf Kit.«
    »Das werde ich mir merken, Hauptmann.«
    Yardem stand auf und trottete von dannen. Der Mond verbarg sich hinter dunklen Wolken. Die Sterne kamen hervor, erst einer, dann eine Handvoll und dann eine Heerschar, so viele, als wollten sie die Vorstellungskraft sprengen. Marcus betrachtete sie, bis sein Verstand ohne sein Zutun wegzugleiten begann, und er zog die Decke über sich. Der Geruch von gebratenem Schwein lockte kurz und verschwand wieder, herbeigetragen von der unzuverlässigen Brise.
    Als der Albtraum kam, hatte er es schon im Voraus geahnt, es war beinahe derselbe wie immer. Die Flammen, die Schreie, das Gefühl des kleinen toten Körpers in seinen Armen. Nur waren diesmal drei Gestalten im Feuer. Er erwachte, ehe er sagen konnte, ob die dritte Cithrin war oder er.

C ITHRIN
    DA SIE EINE REISE zur See geplant hatte, hatte Cithrin sich auf die meisten Unannehmlichkeiten eingestellt, die damit einhergingen, sich auf einem Schiff zu befinden: auf die Übelkeit, die Enge und die Angst, weil einem bewusst war, dass das eigene Leben davon abhing, dass das Schiff weiterschwamm, und man keinerlei Einfluss darauf hatte, ob es das tat. Alles war genauso gekommen, obwohl nur wenig so unangenehm war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Die Überraschung war, wie sehr die erzwungene Untätigkeit sie beruhigte. Zu jeder Zeit, sei es Tag oder Nacht, ging sie an Deck, lehnte sich an die Reling und betrachtete die Wellen oder die ferne, dunkle Küstenlinie, die vorüberglitt. Es gab nichts, was sie tun konnte, und daher wurde auch nichts von ihr gefordert. Wenn sie sich wünschte, das Schiff möge schneller nach Carse gelangen, oder sie Heimweh nach ihren kleinen Gemächern im Kontor verspürte, machte das keinen Unterschied, und es dauerte nicht lange, um zu erkennen, dass sie im Augenblick lebte. Sie war eine der Ersten, die die Versunkenen sah.
    Zunächst war es nicht mehr als ein etwas hellerer Blauton im Wasser. Dann war etwas unter der Oberfläche – ein entrindeter Baumstamm oder ein Fisch mit bleichem Fleisch. Dann war es der Körper eines Erstgeborenen, nackt, der mit leeren Augen hinauf in die Luft starrte. Die lachende Stimme eines Seemanns wurde laut, und hinter ihr tappten Schritte heran, als die Mannschaft zu ihr an die Reling kam. Der Versunkene war nicht allein. Cithrin sah eine Frau an seiner Seite treiben, dann noch eine dahinter. Und dann Hunderte mehr. Von einem Augenblick auf den nächsten war das Meer voll von ihnen. Die langsamen Bewegungen ihrer Glieder hätten beinahe vom Wasser selbst verursacht sein können, das sie vorwärtsschob. Während Cithrin sie beobachtete, stieg einer genau unter ihnen aus den Tiefen empor – ein junger Mann, beinahe noch ein Junge, mit dem schmalen Körperbau eines Jugendlichen oder Cinnae. Seine dunklen Augen schienen sich auf sie zu richten, und ganz langsam lächelte er.
    »Habt Ihr noch nie die Versunkenen gesehen, Magistra?«, fragte Barth. Sie hatte ihn gar nicht bemerkt.
    »Einmal«, erwiderte sie. »In einem der Kanäle von Vanai war einer. Aber niemals so.«
    »Sie sind gewöhnlich in etwas kleineren Schulen unterwegs. Wir haben Glück, dass wir so viele auf einmal sehen.«
    Ein Seemann stieß einen Schrei aus und sprang, stürzte sich hinab ins Wasser. Bei seinem Aufklatschen tauchten die Versunkenen sofort ab, fielen schnell wie Steine unter die Wasseroberfläche. Cithrin sah zu, wie der Junge unter ihr verschwand. Im Wasser lachte der Seemann und versuchte, ihnen nachzutauchen.
    »Was für ein Idiot«, sagte Barth, ohne dass sein Ärger sich in seiner Stimme niederschlug.
    »Warum

Weitere Kostenlose Bücher