Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
geplant. Ihr habt dafür gesorgt, dass er sein Ende kommen sehen konnte, es begriff und nichts tun konnte, um es aufzuhalten. Und als er tot war, habt Ihr geglaubt, es würde besser werden. Ihr habt geglaubt, dass … die Gerechtigkeit … eine Art Erlösung bringen würde. Doch das ist nicht geschehen.«
»Ich bin ganz sicher, dass du irgendwo da drin ein Argument versteckst«, erwiderte Marcus. »Denn ich weiß einfach, dass du Alys und Merian nicht aus ihren Gräbern zerren würdest, nur um auf die Schnelle punkten zu können.«
»Das tue ich nicht, Hauptmann«, sagte Yardem. In seinem Tonfall lag nicht die Spur einer Entschuldigung. »Ich sagte, dass Ihr Frühlingssee nicht nur getötet habt, weil er sterben musste. Ihr habt nach Erlösung gesucht.«
»Schon wieder deine religiösen …«
»Und Ihr habt aus demselben Grund auf Cithrin aufgepasst«, fuhr Yardem fort und ließ sich nicht zum Schweigen bringen. »Sie war ein Mädchen, und sie war der Gnade einer gnadenlosen Welt ausgeliefert. Wir haben ihr geholfen. Der Hass hat Euch keinen Frieden gebracht, und irgendwo in Eurer Seele habt Ihr angenommen, Liebe könnte es vollbringen. Und hier sind wir, Cithrin bel Sarcour ist gerettet, nur Ihr habt immer noch nicht die Erlösung gefunden, die Ihr Euch gewünscht habt. Also versucht Ihr Euch selbst und jedem sonst einzureden, dass sie immer noch gerettet werden muss, obwohl das nicht stimmt. Es geht ihr gut, Hauptmann.«
»Ich wollte nicht für sie arbeiten«, sagte Marcus. »Ich wollte weggehen. Du warst derjenige, der sich dafür eingesetzt hat, dass wir zurückkehren. Du warst das.«
»Stimmt. Aber damals hat sie uns noch gebraucht.«
»Und nun braucht sie uns nicht mehr?«
»Genau, Hauptmann. Und nun braucht sie uns nicht mehr«, sagte Yardem mit einer Stimme, die auf eine Weise weich und sanft geworden war, die schlimmer war, als hätte er Marcus angeschrien. »Wir haben eine geregelte Arbeit mit einer angemessenen Bezahlung. Wir haben Unterkunft und Essen. Schon interessant, wenn das nicht das sein sollte, wonach wir gesucht haben.«
»Wir verbringen unsere Tage damit, Leuten ihre Häuser wegzunehmen und sie auf die Straße zu setzen. Was soll das für ein Leben sein?«
»Früher haben wir sie getötet, Hauptmann«, erwiderte Yardem. »Ich weiß nicht recht, ob es jetzt schlimmer ist.«
Marcus stand auf. Die Trommelschläge, die vom Hof herübertönten, erreichten den kritischen Moment und fielen in sich zusammen. In der Stille klang Marcus’ Stimme lauter, als er beabsichtigt hatte. »Du kannst deine verdammten Biere selbst bezahlen.«
»Ja, Hauptmann.«
Die anderen Männer und Frauen in der Schenke machten ihm Platz, als er hinausstapfte, starrten ihn an und wandten sich gleichzeitig von ihm ab. Wenn ihn jemand angesprochen hätte, wäre es zu einer Schlägerei gekommen, aber keiner tat es. Auf der Straße färbte die Abendsonne die Wolken rot und golden – Blut und Münzen. Das Blau des Himmels dahinter wirkte im Vergleich intensiver. Marcus ging nach Norden, auf den Großmarkt und das Kaffeehaus zu, die Baracken und das Kontor. Die Puppenspieler bevölkerten die Straßenecken und riefen in die Menge, um Aufmerksamkeit und Kupferstücke zu erhalten. Als sein Zorn sich abgekühlt hatte und nicht mehr weiß glühte, sondern nur noch stechend rot, hielt Marcus ein paar Minuten bei einem der Puppenspieler an. Es war eine einfache Neuerzählung des Üblichen mit Groschengroschen, dem Jasuru. Die Hauptmarionette war hübsch gestaltet, bemalt, um geschuppt zu wirken, und so überzeugend gespielt, dass die Marionette eigene Gefühle zu haben schien. Nicht dass man für Groschengroschen viel mehr als Überraschung, Wut und Reue brauchte. Als der Held seine Frau und sein kleines Kind in einen Brunnen warf, ließ Marcus ein Kupferstück in den Sammelbeutel fallen und ging weiter.
Alles lief darauf hinaus. Blut und Tod und die Ohnmacht der Gewalt. In den Aufführungen mit Groschengroschen würden Frau und Kind zurückkehren, in die Vollstrecker der Strafe verwandelt, aber selbst dann bestand die Antwort nur in der Folter und dem Tod des Jasuru. Es gab keine Versöhnung. Keine Möglichkeit, dass die Zeit rückwärtslief und die Dinge, die verloren waren, zurückgebracht wurden. Das war die Geschichte, die Marcus sehen wollte. Nur dass sie ihn, selbst wenn er sie sehen würde, nicht überzeugt hätte.
Zum Großteil aus Trotz ging er seinen Plan noch einmal durch. Ein gutes Pferd und genug Münzen, um es
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