Dollars
Wetter war immer noch herrlich, zwar mit einem Hauch von Herbst in der Luft, aber mit sommerlich warmen Temperaturen. Mitten auf dem Rasen döste ein Boxer faul in der Sonne. Ich hätte eigentlich Lust gehabt, seinem Beispiel zu folgen. Mit einem Grashalm im Mund auf dem Rücken zu liegen und Schäfchenwolken zu zählen – und die Welt und die Dinge so sein zu lassen, wie sie waren.
Aber nein, zum Träumen war in der neuen Welt von Sid Stefan kein Platz mehr. Träumen bedeutet, daß du nicht auf der Hut bist, und wenn du nicht auf der Hut bist, kannst du in eine Falle laufen, und wenn du in eine Falle läufst...
Ich zündete mir eine Zigarette an und schlug den Weg zur Ortsmitte ein, um eine Werkstatt zu suchen, wo ich einen Wagen mieten konnte.
Der Kahle Kees ließ das Päckchen, das ich ihm gab, kommentarlos in seiner Tasche verschwinden. Wenn er den Inhalt gekannt hätte – achttausend Dollar und Carlos Dokumente –, hätte er vielleicht anders reagiert, aber so tranken wir jetzt ein Bier zusammen und unterhielten uns über das schöne Wetter. Ich hatte das Geld nicht auf die Bank gebracht, weil ich mir nicht sicher war, ob die Scheine auch echt waren.
Beim Katasteramt erhielt ich die Adresse des Maklers, der dasHaus in der Geuzenkade verwaltete. Den rief ich aus einer Kneipe gegenüber an.
Das Haus sei von einem amerikanischen Ehepaar gemietet worden, das für längere Zeit in die USA zurückgekehrt sei und es möbliert untervermietet habe, erfuhr ich von einer äußerst resoluten jungen Dame am anderen Ende der Leitung. Ich fragte sie, ob sie mir den Namen des Ehepaars nennen könne.
»Mr. und Mrs. King. Wieso?«
Ich band ihr die Geschichte auf, daß ständig Post falsch zugestellt werde, und fragte sie, ob sie vielleicht die Anschrift in den USA hätten. Die junge Dame verneinte, riet mir aber, mich mit dem Untermieter in Verbindung zu setzen, einem italienischen Journalisten. Oder vielleicht mit der KLM, denn sie meinte sich zu erinnern, daß Herr King Pilot sei. Ob sie seine Initiale wisse. Sie mußte kurz nachsehen. O ja! A.
To my dearest and beloved Jeanette, from Alfred. Der Kreis begann sich zu schließen.
»Wer sind Sie eigentlich?« fragte sie plötzlich mißtrauisch, und ich legte rasch auf. Anschließend rief ich bei der KLM an und fragte, ob sie mir die derzeitige Adresse von Kapitän King geben könnten. Ich sei ein Freund von ihm und gerade aus dem Ausland zurück.
Die Frau am Telefon wußte von nichts und mußte kurz nachfragen. Nach wenigen Minuten meldete sie sich mit der Auskunft zurück, daß sie keinen Kapitän King auf der Liste finden könne.
»Könnten Sie ausfindig machen, ob er früher, vor einem Jahr vielleicht, für die KLM geflogen ist?« Sie wollte es versuchen. Es konnte natürlich auch gut sein, daß er gar kein Flugkapitän gewesen war, sondern einen niedrigeren Rang gehabt hatte, aber ich fand, daß eine leitende Position besser zu seinem Namen paßte. Nach langem Warten meldete sich ein Mann amTelefon, der mit strenger Stimme fragte, was er für mich tun könne. Ich wiederholte meine Frage. »In der Tat«, antwortete er mit leichter Zurückhaltung, »Kapitän King ist für uns geflogen, aber er ist vor etwa anderthalb Jahren gegangen.«
»Entlassen?« fragte ich schnell.
Es blieb einen Moment still. »So ist es.«
»Warum?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wer sind Sie überhaupt?«
Ich nannte einen willkürlichen Namen, erzählte noch einmal, daß ich ein alter Freund von King sei, und fragte, ob er vielleicht wisse, wo King jetzt sein könnte.
»Vermutlich arbeitet er für Nippon Air Charter Systems , dahin ist er zumindest damals gegangen. Und dann wird er wohl auch in Japan wohnen. Sie könnten es mal bei deren Agent versuchen.«
Er nannte mir den Namen. Ich schrieb ihn rasch auf, bedankte mich und legte auf. Der Kreis hatte sich geschlossen. Der verbannte König war gefunden. King Alfred.
Ein weiterer Anruf, jetzt beim Agenten von Nippon Air Charter Systems . Man mußte erst nachsehen, konnte mir dann aber sagen, daß Group Captain King für die Gesellschaft arbeitete. Er wohne in Tokio. Seine Frau auch? Das wüßten sie nicht. Sei er vielleicht geschieden? Das wüßten sie leider auch nicht.
Ich legte auf, bezahlte, stieg in mein Auto – wie fast alle Leihwagen ein Opel – und fuhr zur Geuzenkade.
Der DS war weg. Ich fuhr erst ein paarmal vor dem Haus auf und ab, konnte aber nichts Besonderes entdecken. Keine kleinen Männer, die es
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