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Dollars

Dollars

Titel: Dollars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerben Hellinga
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versteckt.«
    »Wo?«
    »Tja...«
    »Wo?« Er stand auf.
    »Du wirst mich erst freilassen müssen, vorher bekommst du dein Buch nicht zurück.«
    »Erst reden, dann frei.«
    »Erst frei, dann Buch.«
    Mit wenigen Schritten war er bei mir und schlug mir mit der Faust mitten ins Gesicht, so daß mein Kopf gegen die Wand flog. Blut rann mir aus der Nase und über die Lippen. Es schmecktesüß und lau. Wieder hob er den Arm, und jetzt schlug er mir ein paarmal hintereinander mit der flachen Hand links und rechts um die Ohren. Er trug einen Ring mit einem schweren Stein auf der Handinnenseite, der meine Wangen aufritzte. Es tat nicht weh, aber innerlich wurde ich ganz schlapp, als würde ich gleich in Tiefschlaf fallen. Worte und Bildassoziationen drängten sich mir auf, die völlig zusammenhanglos zu sein schienen. Mimose, sagte eine Stimme immerzu. Mimose, Memosi, Misomi, Mosimi. Ich war ein Ertrinkender, der sich an einem Ast festklammerte. Misimo, Somesi, Simosi. Allmählich ließ die Schlappheit nach, und ich kam wieder zu mir. Vielleicht war ich kurz bewußtlos gewesen.
    Er saß wieder auf seinem Stuhl. »Aiora.«
    Ich spie einen Batzen Blut aus, der haarscharf an seinem Kopf vorbei flog, so daß er sich erschrocken ducken mußte. »Wo ist Jeanette?« fragte ich heiser.
    Er deutete mit seiner Pistole an die Decke und sagte auf Italienisch: »Bei den Engelchen. Stewardess für Engelchen.« Er mußte unheimlich über seinen blöden Witz lachen und wiederholte ihn noch einige Male, während er sich die Tränen aus den Augen wischte.
    »Warum hast du sie getötet?«
    Er hob protestierend die Hände. »Io, no. Ich nicht. Romeo. Ich doch nicht...«, er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
    »Aber du hast sie nach Hause gebracht, gestern nacht.« »Wer sagen? Frau von Haus? Du jetzt reden, Stefan. Du sagen, wo isse Buch, und du frei.«
    Er würde mich natürlich niemals freilassen. Selbst wenn ich ihm das Notizbuch persönlich überreichte. Dann besser nicht. Er würde mich langsam töten, mich genüßlich foltern, mich über einem Feuer rösten, in Stücke schneiden und, ein Liedchenträllernd, an die Katze verfüttern. Die reinste Verschwendung. Aber das war mir egal. Dann war ich eben tot. Jeanette würde mir jeden Tag das Frühstück bringen, in ihrer blaugrauen Uniform und mit kleinen Flügeln auf dem Rücken, während ich zufrieden auf einer Wolke saß und weite Reisen machte...
    Plötzlich sah ich ihn mitten im Raum stehen. Er hatte ein langes Elektrokabel in der Hand, an dessen Ende ein Tauchsieder baumelte.
    »Wir jetzt machen Spielchen«, sagte er und zerrte mich mitsamt Stuhl in die Mitte des Raums. »So, bene , du jetzt reden, eh ?«
    »Rutsch mir den Buckel runter!«
    Er steckte den Stecker in die Steckdose und blickte mich freundlich an. Es machte ihm wirklich Spaß, das sah man.
    Wir schauten einander schweigend an. Es war totenstill im Haus, auch von draußen drang nicht das kleinste Geräusch herein.
    Die Pistole hatte er wieder in seine Innentasche gesteckt, weil sie ihn in seiner Bewegungsfreiheit behinderte. In der linken Hand hielt er den Tauchsieder, der zu glühen begann. Er baute sich vor mir auf, hob die rechte Faust und verharrte einen Augenblick in dieser krampfhaften Boxerpose. Dann schlug er zu.
    Ich zog den Kopf weg, so daß seine Faust nicht mein Gesicht traf, sondern meinen Hals schrammte und auf meiner Schulter landete. Der Schlag war trotzdem noch hart genug. Ich flog mitsamt Stuhl nach hinten und fiel dann auf die Seite. Schon eine eigenartige Erfahrung, gefesselt auf einem Stuhl sitzend umzufallen, ohne daß man irgend etwas tun kann, um den Sturz abzufangen. Aber zum Glück war der Aufprall weniger hart als erwartet, jedenfalls tat es nicht sofort weh. Ich behieltdie Augen zu und blieb regungslos liegen. Nach außen hin.
    Jeder Mensch kann nur bis zu einem gewissen Maß einstecken. Es gibt Grenzen, bis zu denen Leid erträglich ist und Wut sich aufstauen läßt. Auch Demütigungen kann man nur bis zu einem gewissen Maß schlucken, und bei mir war das Maß jetzt voll. Ich schlug die Augen auf und sah, wie er sich über mich beugte. Sein Mund stand halb offen, und zwischen seinen Goldzähnen hingen Speichelfäden. Außerdem war er schlecht rasiert, krumme, schwarze Stoppeln sprossen ihm aus der schwammigen Visage.
    Als er den großen Fehler machte, den linken Fuß zu heben, um mir auf die gefesselten Hände zu treten, warf ich die Beine hoch und traf ihn mit den Füßen direkt

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