Dolly - 03 - Ein Pferd im Internat
erinnerte sich Dolly endlich an Alice. “Seit wir wieder hier sind, habe ich mich mit Alice angefreundet”, begann sie. “Da Betty nicht da ist, waren wir beide ohne eine rechte Freundin.”
In Susanne stieg die Eifersucht hoch. Sie hatte immer noch nicht gelernt, sie zu unterdrücken.
Es war eine der schwachen Seiten von Susannes Charakter. Sie hatte dagegen angekämpft – aber nun schlich sie sich wieder in ihr Herz, als sie Alice und Dolly freundschaftlich miteinander umgehen sah.
So war Susanne kühl gegen Alice, und Alice war kühl gegen Susanne.
Dolly betrübte das. Ihr selbst war Eifersucht fremd; das lag nicht in ihrer Natur. Daher konnte sie Susanne nicht recht verstehen. Doch erkannte sie ganz klar: Susanne mochte Alice nicht und wollte Dollys einzige Freundin sein. Alice sah nicht ein, weshalb sie Dollys Freundschaft gänzlich aufgeben sollte, nur weil Susanne zurückgekommen war. Warum sollte eine Freundschaft zu dritt nicht möglich sein?
Ich kann auf diese Eifersüchteleien keine Rücksicht nehmen, dachte Dolly. Sie mußte sich um ihren Sport kümmern. Helga war zufrieden mit ihr. Dollys flinke Beine und ihr schnelles Reaktionsvermögen gefielen ihr ebenso wie ihr unermüdlicher Eifer. Nie versäumte sie das Training, auch bei kaltem Wetter war sie zur Stelle. “Dolly ist eine gute Sportlerin” – das war das höchste Lob, das Helga spenden konnte.
“Dolly Rieder”, sagte sie jetzt formell und feierlich zu ihr, als sie nach einem Übungsspiel den Handballplatz verließen, “du gehörst ab heute offiziell zur Schulmannschaft von Möwenfels!
Natürlich nur als zweite Ersatzspielerin, aber du hast durchaus die Chance, daß du bei einem Spiel eingesetzt wirst. In diesem Jahr sind ja schon oft Spielerinnen ausgefallen.”
“Ach, Helga, ich danke dir!” Dolly freute sich so sehr, daß sie kaum sprechen konnte. “Ich werde fleißig weitertrainieren, und wenn es hagelt und schneit! Es ist einfach überwältigend für mich!”
Strahlend stürmte sie ins Haus. Glücklicherweise stieß sie diesmal nicht mit Mademoiselle zusammen. Dafür geriet sie in einen Schwarm von Schülerinnen der vierten Klasse, die vor Erstaunen die Augen aufrissen, als Dolly so dahergefegt kam.
“Du bist wohl übergeschnappt?” sagte eines der Mädchen.
“Vielleicht ein bißchen! Im bin in der Handballmannschaft als Reserve aufgestellt. Helga hat’s mir eben gesagt.”
“Da hast du ja Dusel gehabt”, erklärte eine andere. “Gratuliere. Du bist ein Glückspilz! Ich bin noch niemals aufgestellt worden, und ich bin älter als du und länger hier.”
Auch die anderen gratulierten ihr herzlich und klopften ihr anerkennend auf die Schulter.
Die dritte Klasse freute sich sehr über Dollys Erfolg. Alle empfanden es als eine Ehre für die ganze Klasse. Nur Susanne zögerte ein wenig mit ihrem Glückwunsch – sie hatte gesehen, wie überschwenglich Dolly von Alice begrüßt worden war. Wieder empfand sie einen Stich der Eifersucht. Sie fühlte sich als Außenstehende, weil sie erst so spät nach Möwenfels zurückgekommen war.
Die nächste Sensation war ein Anschlag am Schwarzen Brett: Für die alljährliche Schulvorstellung sollte “Romeo und Julia” eingeübt werden! Und diesmal war die dritte Klasse dran, die Aufführung zu übernehmen! Die Einstudierung lag auch in diesem Jahr in den Händen von Frau Nora Nordberg, einer ehemaligen Schauspielerin. Sie kam jede Woche für ein paar Stunden nach Möwenfels herübergefahren.
“Wie blöd!” bemerkte Margot, die sich darüber ärgerte, daß in “Romeo und Julia” nicht gesungen wurde. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte eine Oper oder eine Operette aufgeführt werden müssen. Da könnte sie mit ihrer Stimme glänzen. “Ich hatte gehofft, wir kommen um diesen albernen Zirkus herum”, sagte sie. “Das ist doch nur Zeitverschwendung!”
“Keineswegs”, widersprach Marilyn, die über den Anschlag sehr erfreut war. “Theaterspielen ist herrlich. Das kann ich wirklich. Als ich die heilige Johanna spielte…”
“Ja, das wissen wir nun schon. Du hast’s uns oft genug erzählt”, unterbrach Diana.
“Du glaubst wohl, daß du eine Hauptrolle bekommst?” fragte Alice. “Wenn du dich nur nicht täuschst! Mit deinem Akzent hast du wenig Aussicht.”
Marilyn blickte sie überrascht an. “Glaubst du, das stört?”
“Nun, eine Julia oder heilige Johanna mit ausgesprochen amerikanischem Akzent stelle ich mir reichlich komisch vor”, sagte Alice lachend. “Wäre das
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