Dolly - 03 - Ein Pferd im Internat
Gemeinschaftsraum gegangen, wie Fräulein Peters angeordnet hatte, sondern in den Schlafsaal.
Hier weinte sie sich aus. Sonst weinte Will nie, aber diesmal konnte sie die Tränen einfach nicht zurückhalten – wenn ihre Brüder sie auch gelehrt hatten, daß Weinen etwas Verächtliches wäre.
Als sie am Nachmittag zum Unterricht erschien und ihre Mitschülerinnen sie mit rotgeweinten Augen erblickten, liefen sie schnell zu ihr, um sie zu trösten. Aber Will wehrte schroff ab. Nicht einmal von Dolly wollte sie sich gut zureden lassen. Immerhin bedankte sie sich für Dollys Versuch, sie zu warnen.
Die anderen gaben es auf – wenn Will nicht wollte, konnte man nichts machen.
Dolly setzte sich ziemlich kleinlaut an ihren Platz. Sie wußte, daß sie früher oder später zu Fräulein Peters gerufen würde, um sich zu verantworten.
Fräulein Peters war schlechter Laune. Sie suchte geradezu nach einer Gelegenheit, ihren Zorn loszuwerden. Aber niemand, nicht einmal Margot, Evelyn oder Marilyn, gaben ihr einen Grund dafür.
Am Abend fühlte sich die ganze dritte Klasse bedrückt. Will saß wie versteinert in ihrer Ecke. Es wollte gar keine fröhliche Stimmung aufkommen.
Nur Margot lebte auf. “Guckt mal hier!” flüsterte sie. Sie hielt eine Zeitung in die Höhe und deutete auf eine Anzeige:
“Was sollen wir damit?” fragte Alice. “Du willst doch nicht etwa dort mitmachen?”
“Aber überlegt doch”, flüsterte Margot eifrig weiter. “Denkt an Irene und ihre Musik, an Marilyn und ihren Wunsch, zur Bühne zu gehen – und an mich mit meiner Stimme! Und an die wertvollen Preise, die wir dabei gewinnen können!”
“Margot, als ob wir jemals gehen dürften!” sagte Britta. “Und wer hätte schon Lust, sich an solch einer drittrangigen Veranstaltung zu beteiligen? Nachwuchswettbewerb! Daß ich nicht lache! Eine alberne Vorführung, um das Publikum zu amüsieren! Und die Preise haben einen Wert von höchstens ein paar Mark!”
“Aber Britta, Marilyn, das ist doch die Chance für uns!” Margot sah sich schon auf der Bühne stehen: wie sie den Saal mit ihrer herrlichen Stimme füllte und wie von allen Seiten Beifall geklatscht wurde… Vielleicht kam ihr Name sogar in die Zeitung!
“Margot, du bist dümmer, als die Polizei erlaubt!” sagte Alice. “Glaubst du allen Ernstes, Frau Greiling würde Schülerinnen von Möwenfels erlauben, zu so einer Veranstaltung zu gehen?”
Margot riß Dolly die Zeitung aus der Hand. “Wenn ihr nicht wollt, dann laßt es eben bleiben. Ich hätte schon Lust, allein hinzufahren!” antwortete sie schnippisch.
“Denk doch mal ein bißchen nach”, sagte Jenny. “Stell dir vor, du stehst auf der Bühne – ein Schulmädchen – und singst vor einem vollen Saal. Lächerlich einfach!”
Nun, für Margot erschien es nicht lächerlich. Sie konnte alles ganz deutlich vor sich sehen; sie hörte sogar schon den donnernden Applaus. Was für ein Leben würde es sein, wenn sie erst einmal Opernsängerin wäre!
Sie stopfte die Zeitung in die Tasche und wünschte, sie hätte nichts darüber gesagt. Dann kam ihr ein Gedanke: Wenn ich nun wirklich nach Billstedt fahre? Niemand würde mich vermissen. Ich brauchte nur zu sagen, ich ginge zu einer Extra-Gesangstunde.
Das schien verlockend! Heute war Donnerstag – am Freitag würde sie eingehend über die Sache nachdenken und am Samstag vormittag sich endgültig entscheiden. Ja, so wollte sie es machen.
Will wagte nicht, wieder zu den Ställen zu gehen. Sie hoffte nur noch, daß Fräulein Peters sich anders besinnen und Donner doch dalassen würde.
Fräulein Peters hatte Dolly immer noch nicht zu sich kommen lassen. Ach, und Dolly wünschte sehr, daß die schlimme Angelegenheit endlich überstanden wäre. Vielleicht gehörte es zu Fräulein Peters’ Erziehungsmethoden, sie eine Weile zappeln zu lassen!
Inzwischen war es Samstag geworden. Margot hatte ihren Entschluß gefaßt: Sie wollte sich an dem Wettbewerb beteiligen. Sie würde Fräulein Pott sagen, sie hätte eine Gesangstunde. Sie hatte oft Gesangstunden zu ungewöhnlichen Zeiten, daher würde Fräulein Pott nichts dabei finden. Den Klassenkameradinnen würde sie dasselbe sagen. Allerdings konnte sie um neun zur Schlafenszeit noch nicht zurück sein, aber dann würde sie zur Hintertür hineinschlüpfen. Sie vertraute darauf, daß die anderen sie nicht verpetzten.
Sie erkundigte sich nach den Abfahrtszeiten der Busse. Wenn sie den Sechs-Uhr-Bus nahm, war sie noch vor sieben in Billstedt. Die
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