Dolly - 04 - Dolly, die Klassensprecherin
hörten oben Schritte!
„Habt ihr gehört?“ flüsterte Susanne. „Da kommt jemand! Schnell, sammelt alles ein! Wir wollen verschwinden.“
Sie rafften zusammen, was sie in der Eile greifen konnten. Dolly kniete sich hin und fegte mit den Händen Kuchenkrümel unter das Sofa.
Dann knipste sie das Licht aus und öffnete die Tür. Auf dem Flur war alles dunkel. Dort schien niemand zu sein. Wer konnte da oben herumgehen? Im Schlafsaal der Ersten?
Nun bekamen auch Irmgard und Felicitas Angst. Sie rannten sofort weg. Betty, Elli und Vera verschwanden zur Treppe und durch die Seitentür hinaus. Von dort konnten sie ungesehen zum Westturm hinüberhuschen. Die anderen stiegen unter Dollys Führung leise zu ihrem eigenen Schlafsaal hinauf.
Plötzlich blieben sie stehen: Irgendwo in der Nähe hörten sie ein leichtes Hüsteln, ein vertrautes, unverkennbares Hüsteln. Sie standen oben auf der Treppe und wagten kaum zu atmen. Das war Pöttchens Husten! überlegte Dolly. O weh – ob sie uns gehört hat? Aber wir waren doch gar nicht laut!
Hoffentlich waren Betty und die anderen beiden vom Westturm sicher in ihren Schlafsaal gekommen, ohne daß man sie erwischt hatte, hoffentlich! Es galt ja als schwere Übertretung, wenn Mädchen aus dem einen Turm sich nachts mit denen aus einem anderen Turm trafen.
Was tat Pöttchen? Wo war sie? Die Mädchen standen wie erstarrt und warteten auf ein Zeichen zum Weitergehen.
„Sie ist im Schlafraum der dritten Klasse“, flüsterte Dolly schließlich. „Vielleicht ist dort eine krank. Ich glaube, wir rennen am besten schnell los. Wir können ja nicht ewig hier stehen.“
„Gut. Wenn es das nächste Mal donnert, laufen wir los“, sagte Susanne leise. Diese Parole wurde weitergeflüstert, und sie warteten sehnsüchtig auf den Donner. Erst kam ein Blitz und beleuchtete deutlich die Gruppe der Mädchen – dann donnerte es.
Es war ein schöner langer, polternder Krach; er übertönte alle Laute, als die Mädchen in ihren Schlafsaal jagten. Sie fielen dankbar in die Betten. Jede versteckte unten in ihrem Schrank was sie trug: das nasse Badezeug und alles andere.
Kein Fräulein Pott erschien, und sie atmeten auf. Sicherlich war in der dritten Klasse jemand krank geworden. Pöttchen schien noch dort zu sein. Endlich hörten sie, wie die Tür zum Schlafsaal von Klasse 3 leise geschlossen wurde und wie Fräulein Pott ruhig in ihr Zimmer ging.
In dieser Nacht schliefen die Mädchen wie Murmeltiere und konnten am Morgen kaum aufstehen. Evelyn und Britta mußten buchstäblich aus den Betten gezerrt werden. Irene schoß mit den leeren Kannen in die Küche hinunter. Die Reste des Kuchens und die übriggebliebenen Kekse wurden eilig in eine Tüte gepackt und in einen Wandschrank unter der Treppe getan. Dann gingen die Mädchen der Vierten mit ernsten und unschuldigen Gesichtern zum Frühstück hinunter.
Felicitas lachte Dolly an. Ihr hatte der nächtliche Ausflug Spaß gemacht. Aber Irmgard lachte Alice nicht an. Deren Gesicht war sehr böse, und Irmgard fühlte sich unbehaglich.
Nach dem Frühstück winkte Alice Gaby Reinhard, die Sprecherin der ersten Klasse, zu sich heran.
„Gaby“, sagte Alice, „ich bin sehr unzufrieden mit Irmgards Betragen. Sie benimmt sich einfach unmöglich. Die vierte Klasse wird das nicht dulden. Entweder mußt du sie zur Ordnung rufen, oder wir tun es selbst. Es wäre besser, wenn du es tätest.“
„Das tut mir leid, Alice“, sagte Gaby. „Wir haben schon versucht, sie zur Vernunft zu bringen. Aber sie sagt immer, du würdest uns ausschelten, wenn wir es nicht noch einmal mit ihr versuchten. Doch das haben wir schon oft getan.“
„Das glaube ich dir“, sagte Alice. „Nun, ich weiß nicht, wie ihr es mit euren Außenseitern haltet, Gaby – wir hatten verschiedene sehr gute Methoden, als ich in der ersten Klasse war. Aber, bitte, unternimm auf jeden Fall etwas.“
„Gut, wird gemacht!“ sagte Gaby, wobei sie sich sehr wichtig vorkam. Sie zog sofort los, um die Klasse deswegen zusammenzutrommeln.
Irmgard war außer sich, als sie das Urteil ihrer Klasse vernahm: Eine Woche lang sollte sie „geschnitten“ werden! Sie fühlte sich schrecklich gedemütigt. Besonders wütend war sie darüber, daß Alice Gaby zu dieser Sache ermächtigt hatte!
Am Abend kam Felicitas mit bekümmerter Miene zu Dolly. „Bitte, Dolly, kann ich mit dir sprechen?“ fragte sie. „Es ist etwas Schreckliches geschehen. Die Krümel, die wir heute nacht unter das Sofa fegten, wurden
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