Dolly - 06 - Abschied von der Burg
sie sauber.
Mademoiselle hatte offensichtlich nichts gemerkt. Die Glocke läutete, sie stand auf. „Geht hinaus“, befahl sie, und die Klasse ging hinaus. Nora stopfte bereits eines ihrer Taschentücher in den Mund. Sie betraten den großen Vorraum, um sich Milch und Brötchen zu holen, und erwarteten Mademoiselles Erscheinen. Sie kam… und die Zweitkläßlerinnen jauchzten. „Es fällt, es fällt! Der Dutt ist auf!“
So war es. Mademoiselle merkte nichts, aber Fräulein Peters sah es sofort. Sie tippte Mademoiselle auf die Schulter und sprach sie an. „Ihre Frisur löst sich auf, Mademoiselle“, sagte sie. Mademoiselle faßte mit der Hand an den Kopf und merkte verdutzt, daß ihr Haar bis auf den Rücken niederfiel. Sie suchte nach den Haarnadeln, um den Dutt wieder aufzustecken.
Aber da war keine einzige Haarnadel mehr. Kein Wunder – die hingen ja alle am Magneten, den Steffi jetzt sicher in der Tasche trug. Wild fingerte Mademoiselle Rougier an ihrem Kopf herum. Nora gluckste unterdrückt. Sie stopfte ihr zweites Taschentuch in den Mund.
Mademoiselle suchte im Nacken nach den Haarnadeln. Vielleicht waren sie bloß verrutscht? Fräulein Peters schaute mit merkwürdigem Gesicht zu.
„Eine Haarnadel verloren?“ fragte sie.
„Ich habe sie alle verloren“, sagte Mademoiselle aufgeregt. Sie fragte sich, ob sie ihr Haar am Morgen überhaupt aufgesteckt hatte. War sie etwa mit aufgelöster Frisur in die Klasse gegangen? Bei dieser Vorstellung errötete sie. Was mußten die Mädchen von ihr denken!
Sie erblickte die lachenden Mädchen, sah, wie Nora ihr drittes Taschentuch in den Mund stopfte und ergriff die Flucht. Die Mädchen lachen! Ich bin gewiß so in die Klasse gekommen! überlegte Mademoiselle. Wie schrecklich! Wie konnte ich nur vergessen, mein Haar aufzustecken! Aber da ist nicht eine einzige Haarnadel!
Sie eilte in ihr Zimmer und frisierte sich mit aller Sorgfalt. Sie hatte keinen Verdacht, daß man ihr einen Streich gespielt hatte. Hätte sie gesehen, wie sich die durchtriebenen Zweitkläßlerinnen an einer abgeschiedenen Stelle vor Lachen im Gras kugelten, dann hätte sie bestimmt Verdacht geschöpft!
„Wie sie nach ihren Haarnadeln fummelte!“ quiekte Irmgard. „Und das Gesicht von Fräulein Peters! Ich sterbe gleich!“
„Das müssen wir unbedingt noch mal machen“, sagte Felicitas. „Das ist der beste Trick, den wir uns jemals ausgedacht haben!“
Dolly und Susanne arbeiteten fleißig für ihre Prüfung. Aber sie trieben auch eifrig Sport und fanden noch Zeit genug, an Debatten, Zusammenkünften und Tratschereien teilzunehmen. Es war ein glückliches, erfülltes Leben. Dolly genoß es in vollen Zügen. Sie war nun sechs Jahre auf Burg Möwenfels und hatte gelernt, konzentriert zu arbeiten. So fielen ihr die Vorbereitungen für die Prüfung auch leichter als erwartet. Fräulein Eich war mit ihr zufrieden.
„Mit ein wenig Anleitung kannst du gut selbständig arbeiten“, sagte sie. „Du bist reif für die Universität. Dort werdet ihr mehr Freiheit haben. Es bleibt euch überlassen, was und wieviel ihr arbeitet. Aber du und Susanne, ihr werdet immer zuverlässig sein.“
Bei sich dachte Fräulein Eich, daß Dolly und Susanne auf der Universität viel erfolgreicher sein würden als Alice oder Betty, obwohl diese beiden begabter waren.
Das Erwachsensein, die Freiheit von strengen Regeln werden Alice und auch Betty zu Kopf steigen. Sie werden keinen Strich arbeiten, dachte sie. Sie werden tanzen gehen und ihre Zeit auf Parties und Gesellschaften vertrödeln. Und zu guter Letzt werden Dolly und Susanne die Lorbeeren einheimsen, die Alice und Betty so leicht zu erringen glauben.
Zur Zeit stellten Dolly und Susanne die Listen für die Tenniswettkämpfe auf. Martina gab ihnen dabei ausgezeichnete Ratschläge. Susanne nahm Martinas Hilfe gern in Anspruch. Martina wußte gut Bescheid, wenn es um Sport ging.
Amanda kam hinzu und schaute ihnen schweigend über die Schultern. Die anderen achteten nicht auf sie. Nur Martina kehrte ihr betont den Rücken zu.
„Ich denke, für die dritte Mannschaft nehmen wir Jenny Schmitt aus der dritten Klasse“, sagte Susanne. „Sie gibt gut und hält durch. Sie und Tessy Lohmann geben ein gutes Paar.“
„Tessy taugt nicht viel“, bemerkte Amanda. „Sie wird nie gut sein. Jedenfalls nicht, solange sie so verdrehte Bälle schlägt. Wie sie den Schläger schwingt, vertut sie ja ihre halbe Kraft.“
„Ich wette, du weißt nicht einmal, wer Tessy ist“,
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