Dolly - 06 - Abschied von der Burg
Mal!“
„Jetzt fang du nicht auch noch damit an“, stöhnte Felicitas mit einem Lachen. „Dolly ist schon die ganze Zeit schwermütig.“
„Keine Unverschämtheiten, Felicitas Rieder!“ sagte Susanne. „Denke daran: du bist bloß eine dumme kleine Zweitkläßlerin!“
„In einem Vierteljahr komme ich in die Dritte“, sagte Felicitas. „So ganz langsam geht es aufwärts. Es dauert schrecklich lange.“
„Anfangs sieht es aus wie eine Ewigkeit“, sagte Susanne. „Aber jetzt, wo wir dicht vor dem Abschluß stehen, scheint die Zeit wie im Flug vergangen zu sein.“
Während der ganzen Fahrt plapperten die Mädchen ohne Unterbrechung. Als sie sich aber Burg Möwenfels näherten, schwiegen die beiden älteren. Sie freuten sich wie jedesmal auf den ersten Blick nach ihrer lieben Schule, der Schule mit den vier Türmen.
„Wir sind fast da!“ sang Felicitas. „Vati, schneller! Überhole das Auto vor uns, ich glaube, da ist Steffi drin!“
Die große Auffahrt war überfüllt.
„Ein Lärm wie auf dem Fußballplatz“, sagte Herr Rieder vergnügt. „Ich war schon immer ganz erstaunt, daß Mädchen so viel Krach machen können!“
Dolly, Felicitas und Susanne sprangen aus dem Wagen und rafften ihr Gepäck zusammen.
Im Nu waren sie von einer Menge anderer aufgeregter Mädchen umgeben.
„Dolly, warum hast du mir nicht geschrieben!“
„Felicitas, hast du Judith gesehen? Sie darf ihr Pferd mitbringen, es ist himmlisch!“
„Hallo, Susanne, bist du braun geworden!“
„Wir müssen fahren, meine Lieblinge“, sagte Frau Rieder und lehnte sich aus dem Auto. „Habt ihr alles? Dann also: Auf Wiedersehen, ihr zwei! Auf Wiedersehen, Susanne. Ich wünsche euch eine schöne Zeit! Im Sommer ist es doch immer am schönsten hier auf der Burg!“
Das Auto fuhr davon. Felicitas stürzte sich ins Gewimmel und war im Nu verschwunden. Susanne und Dolly gingen gesetzter – wie es sich für zwei aus der sechsten Klasse geziemte.
Dolly und Susanne betraten die Treppe und gelangten in den großen Vorraum.
„Wir wollen auf unser Zimmer gehen“, sagte Dolly. „Da können wir unsere Sachen auspacken und uns umschauen.“
Sie gingen hinauf in das kleine, behagliche Zimmer, das sie gemeinsam bewohnten. Die Mädchen aus der sechsten Klasse hatten dieses Vorrecht: Immer zwei Mädchen lebten in einem Raum, und sowohl Dolly als auch Susanne liebten den ihren sehr. Sie besaßen einen lustigen Teppich, den ihnen Frau Rieder gegeben hatte. An den Wänden hatten beide ihre Lieblingsbilder befestigt. Es gab ein paar Kissen auf den Stühlen und ein paar Figürchen auf dem Sims, meist Hunde und Pferde aus Holz.
„Wer wohl dieses Zimmer nach uns bewohnen wird?“ Dolly schaute aus dem Fenster. „Es ist eins der schönsten.“
„Das allerschönste“, behauptete Susanne und ließ sich in einen kleinen Sessel fallen. „Wahrscheinlich zwei aus der Fünften, die Glücklichen!“
Außer ihren kleinen Zimmern hatte die sechste Klasse noch einen eigenen Gemeinschaftsraum. Dort stand ein Radiogerät, und es gab natürlich eine Bibliothek. In Schränken und Regalen konnten sie ihre Sachen unterbringen. Der Gemeinschaftsraum war luftig, hell und sonnig. Von dort hatte man den Blick auf das Meer.
„Wir gehen wohl besser nach unten zur Hausmutter“, sagte Dolly, als sie ihre Nachtsachen herausgelegt und ein paar Andenken aufgestellt hatten. Dolly schob ein kleines Teeservice in den Eckschrank. Sie hatte es von zu Hause mitgebracht, weil sie es besonders nett fand. In diesen letzten Wochen gab es sicher häufig Teegesellschaften in ihrem Zimmer.
Eine fröhliche Stimme begrüße Dolly und Susanne. „Hallo, da sind wir ja wieder!“
„Irene!“ riefen Dolly und Susanne gleichzeitig. Irene lachte sie an. Sie hatte sich kaum verändert, seit Dolly sie vor sechs Jahren zum erstenmal gesehen hatte. Sie war zwar größer und älter geworden, aber derselbe unordentliche Wirrkopf geblieben. Ihr Aussehen täuschte freilich: Irene war ein Genie in Musik und hervorragend begabt für Mathematik. Nur bei den alltäglichen Dingen erwies sie sich als Niete.
Dolly hatte ein Teeservice mitgebracht
„Irene!“ rief jetzt die Hausmutter, die wie jedesmal über die Gesundheitszeugnisse der Mädchen in schiere Verzweiflung geriet. „Muß ich dich diesmal in die Isolierstation stecken, weil du dein Gesundheitszeugnis vergessen hast, oder hast du ausnahmsweise daran gedacht?“
„Hier ist es, Hausmutter“, rief Irene und händigte ihr einen Umschlag aus. Die
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