Dolly - 14 - KLassentreffen auf der Burg
nicht wahr? Ich hab’ mal Fotos von ihr gesehen. Ich finde, ich sehe ihr ähnlich.“
„Du wirst die Evelyn spielen“, antwortete Dolly. „Der bist du nämlich noch viel ähnlicher! Natürlich werden wir auch noch andere Rollen besetzen müssen, darüber beraten wir, wenn die ersten Szenen fertig sind. Ich werde jeweils die Rohfassung einer Szene schreiben, die wir dann gemeinsam festlegen. Morgen nach dem Mittagessen fangen wir an. Wir proben täglich von zwei bis vier, und abends könnt ihr dann euren Text lernen.“
„Jeden Tag? Dann haben wir ja überhaupt keine Freizeit mehr!“ sagte Babsi mit langem Gesicht. Dolly sah die Mädchen eindringlich an.
„Was wäre euch lieber: ein paar Wochen Strafdienst im Haushalt, in der Gärtnerei und auf dem Sportgelände oder jeden Tag Proben für ein Theaterstück? Oder habt ihr eure Mitternachtsparty mit Geisterbeschwörung schon wieder vergessen? Das zusammengebrochene Bett und…“
„So gesehen bin ich doch mehr für Theaterspielen!“ warf Babsi schnell ein. „Ich kann’s gar nicht mehr erwarten!“
Fällt alles ins Wasser?
Am nächsten Tag trafen sie sich gleich nach dem Mittagessen in ihrer Klasse, rückten Tische und Stühle beiseite und bauten nach Dollys Anweisungen das Bühnenbild für die erste Szene: den Schlafsaal der Ersten.
Dolly hielt ein paar beschriebene Seiten in der Hand, aus denen sie vorlas.
„Wir werden aus diesem ,Rohbau’, den ich euch da vorgezeichnet habe, nun die erste Szene entwickeln, Susannes und Evelyns und auch meinen ersten Abend in Möwenfels. Du, Babsi, als Alice, hast in dieser Szene den meisten Text, du bist schon eine Weile in Möwenfels und erklärst uns Neuen alles. Dolly – du, Juanita – ist begierig, Alice zur Freundin zu bekommen. Susanne ist sehr still und hält sich zurück. Evelyn ist schrecklich unglücklich, in Möwenfels zu sein, und hat Heimweh. Nun gut, fangen wir einfach mal an. Wenn wir den endgültigen Text festgelegt haben, schreibe ich ihn auf.
Dort drüben ist die Tür. Alice kommt mit den drei Neuen, Dolly, Susanne und Evelyn, herein, ihr anderen seid schon versammelt. Alice fängt sofort an zu erklären: ,Packt nur euer Waschzeug aus und was ihr für die Nacht braucht. In wenigen Minuten gibt es Essen!’ Dann sagst du, Juanita: ,Hm, das duftet ja schon toll, hab’ ich einen Hunger!’ und Alice antwortet: ‚Ja, am ersten Abend gibt es immer etwas besonders Gutes’…“
Babsi begann, und Satz für Satz entwickelte sich aus dem Spiel. Ein paarmal wiederholten sie die Szene, änderten die Stellungen oder den Text, dann schrieb Dolly alles Wort für Wort auf. Noch einmal wurde die Szene wiederholt, um sich alles gründlich einzuprägen, dann ging es weiter.
Die Mädchen spielten mit Feuereifer. Was kam da nicht alles zutage! Die verwöhnte Evelyn – war es nicht, als ob Alexa sich selbst spielte? Juanitas blitzende Augen, ihre raschen, temperamentvollen Bewegungen – sah man nicht die zwölfjährige Dolly durch den Schlafsaal wirbeln? Babsi mit der spitzen Zunge – eine bessere Alice hätte man sich nicht vorstellen können!
Drei Mädchen aus dem Westturm, die ebenfalls in die erste Klasse gingen und sich freiwillig zur Theatergruppe gemeldet hatten, wurden mit den Rollen der Erwachsenen betraut. Eine spielte die Hausmutter, eine Fräulein Pott und die dritte Mademoiselle Dupont, wie Madame Monnier damals noch hieß.
„Wir haben etwas Wichtiges vergessen“, rief Hilde plötzlich mitten im Spiel.
„Was denn, Hilde?“
„Frau Direktor Greiling! Die muß unbedingt auch in unserem Stück auftreten! Wie sie zu den Neuen spricht – das ist doch die Hauptsache!“
„Eigentlich hast du recht“, meinte Dolly. „Vielleicht freuen sich die Zuschauer, diese Worte noch einmal zu hören und an den Augenblick erinnert zu werden. Aber wer soll die Direktorin spielen?“
Die Mädchen sahen einander ratlos an. Keine schien ihnen würdig genug für diese Rolle. Sollte man eine der älteren Schülerinnen darum bitten?
„Ich wüßte schon wen“, sagte Juanita leise.
„Wen, Juanita?“
„Sie, Hausmutter!“
„Ich?“ Dolly schaute verblüfft von einem zum anderen.
„Aber ich wäre die einzige Erwachsene, die in unserem Stück spielt. Ich weiß nicht, ob das gut wäre…“
Merkwürdig, daß ich solche Scheu davor empfinde, dachte Dolly. Ich verehre unsere Direktorin so sehr, daß es mir wie ein Sakrileg erscheint, in ihre Rolle zu schlüpfen. Ich werde wohl nie erwachsen!
„Sie müssen die Rolle
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