Dolly - 17 - Eine Hauptrolle fuer die Burg
fertig?”
Ein zustimmendes Grunzen antwortete.
„Bösemann, Sie machen den Ton mit?”
„Läuft.”
„Kamera ab.”
„Läuft.”
Der Assistent schlug die Klappe so dicht vor Alexas Nase, daß der
Kreidestaub sie zum Niesen brachte. Probeaufnahme Christine I/1 stand darauf, und der Assistent wiederholte für den Ton den Text noch einmal laut: „Probeaufnahme Christine eins, die erste!”
Alexa richtete sich noch ein wenig höher auf und schüttelte ihre blonde Mähne. Sie lächelte neckisch zur Kamera hinüber und hauchte mit einem Ton, den sie für aufregend sexy hielt, ins über ihr hängende Mikrofon: „Also… mein Name ist Alexa von Hinrich, und ich bin, nein, ich werde in zwei Wochen dreizehn Jah…”
„Haaalt!” unterbrach sie Herr Dophahn. „Was machst du da für merkwürdige Verrenkungen, Mädchen! Sei doch mal ganz natürlich!”
Alexa war aus dem Konzept gebracht. Sie stotterte etwas über ihre Familie, ihre wohlhabenden Eltern und daß sie bis vor zwei Jahren nur von einer Privatlehrerin unterrichtet worden war, dann hatte sie sich wieder gefangen. Sie setzte von neuem das so mühsam eingeübte girrende Lachen ein, schlug ein paarmal die Wimpern auf und nieder und fügte schelmisch hinzu: „… und deshalb glaube ich, daß ich diese Rolle besser als alle spielen kann, ich meine, sie ist mir sozusagen auf den Leib geschneidert!”
Alexa schickte noch einmal zwitscherndes Lachen hinterher und sog sich mit den Augen im Objektiv der Kamera fest. Sie merkte nicht, wie Kameramann und Regisseur sich kopfschüttelnd ansahen.
„Also gut, dann spiel das mal”, rief Herr Dophahn von unten. „Stell den Stuhl weg, hock dich hin und zeig uns, wie du dich im Teich spiegelst, wie du plötzlich neben deinem Kopf im Wasser den Kopf deines Mörders siehst und entsetzt aufschreist.”
„Aber ich habe keinen Text!”
„Dazu brauchst du keinen.”
„Kann ich nicht lieber eine andere Szene der Christina, in der sie etwas sagen muß…”
„Sie hat keinen Text. Das ist die ganze Rolle, damit fängt der Film an. Später stellt sich raus, daß sie gar nicht die reiche Erbin war, sondern eine Art Strohmann oder Stellvertreterin. Also los, nun zeig uns mal, wie du so was machen würdest!” Alexas Enttäuschung war nicht zu übersehen und ihr Spiel herzlich schlecht. Sie blickte auf ihr imaginäres Spiegelbild, zuckte zusammen, riß die Augen auf und stieß einen spitzen Schrei aus.
„Das hört sich an, als hättest du deine ersten grauen Haare entdeckt”, sagte Herr Dophahn. „Noch mal. Und denk dran – du sollst ermordet werden! Wir nehmen das gleich mal mit auf.”
Alexa riß die Augen auf und stieß einen spitzen Schrei aus
Aber auch diesmal gelang Alexa die Szene nicht überzeugender.
Herr Dophahn schüttelte den Kopf. „Danke, das war’s. Du kannst gehen. Wen haben wir noch als Christina?”
Gundula meldete sich und wurde auf den Stuhl vor der Kamera gesetzt. Leise, fast eintönig nannte sie ihren Namen, ihr Alter und erzählte von ihrem Zuhause, dem Tod der Mutter, der Verzweiflung des Vaters und davon, wie schwer es gewesen war, anstelle der Mutter den Haushalt zu führen. Und obgleich sie nichts tat, um sich in besonders günstigem Licht zu zeigen, war ihr Gesicht so ausdrucksvoll, daß Herr Dophahn und der Kameramann sich überrascht anblickten.
Dann mußte auch Gundula die Szene am Teich spielen. Sie setzte sich, die Beine seitlich angewinkelt, den linken Arm aufgestützt auf die Bühne und nahm sich viel Zeit, ihr Spiegelbild im Wasser zu betrachten. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und hielt plötzlich erschrocken inne. Ungläubig starrte sie auf den imaginären Wasserspiegel, beugte sich noch ein wenig weiter vor, dann breitete sich ein solches Entsetzen in ihrem Gesicht aus, daß man spürte, daß sie am ganzen Körper wie gelähmt war. Und plötzlich kroch ein Schrei in ihr hoch, wie ein Würgen zuerst, dann wie eine einzige, dem Wahnsinn nahe Verzweiflung, daß den Mädchen hinten im Saal eine Gänsehaut über den Rücken lief.
„Ausgezeichnet!” lobte Herr Dophahn. „Hast du mal daran gedacht, Schauspielerin zu werden? Du solltest es dir überlegen. Du wirst die Christine spielen. Ich will sehen, ob ich dir nicht noch eine Szene in den Film hineinschreiben kann, ich müßte da nur eine Kleinigkeit umstellen. Wir sprechen noch darüber.”
Gundula nickte benommen und kehrte auf ihren Platz zurück. Alexa warf ihr einen haßerfüllten Blick zu und verließ türenschlagend
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