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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wirklich änderte, war, daß ich Seth Reed kommen und den alten Brunnen mit einer Betonplatte verschließen ließ.
    Sechs Monate nach Joes Tod wurde vom Nachlaßgericht über seine Hinterlassenschaft verfügt. Ich war nicht einmal dort. Ungefähr eine Woche später bekam ich ein Schreiben, in dem es hieß, daß alles mir gehörte - ich konnte es verkaufen oder gegen etwas anderes eintauschen oder es in die tiefe blaue See schmeißen. Als ich mir darüber klar war, was er hinterlassen hatte, erschien mir die letzte dieser Möglichkeiten als die beste. Aber ich machte auch eine Entdeckung, die mich überraschte: wenn ein Ehemann plötzlich stirbt, dann ist es ein großer Vorteil, wenn all seine Freunde Schwachköpfe sind, wie Joes Freunde es waren. Ich verkaufte das alte Kurzwellenradio, an dem er zehn Jahre herumgebastelt hatte, für fünfundzwanzig Dollar an Norris Pinette, und die drei Schrottlaster, die auf dem Hof standen, an Tommy Anderson. Der Idiot freute sich wie ein Schneekönig, als er sie bekam, und ich verwendete das Geld dazu, mir einen ‘59er Chevy zu kaufen, der etwas undichte Ventile hatte, aber sonst noch gut lief. Außerdem ließ ich Joes Sparkonto auf mich überschreiben und die College-Konten der Kinder wieder eröffnen.
    Ach ja, noch etwas - im Januar 1964 nahm ich wieder meinen Mädchennamen an. Ich machte deswegen kein großes Trara, aber ich dachte nicht daran, den Namen St. George für den Rest meines Lebens hinter mir herzuschleppen wie eine Konservendose, die man einer Katze an den Schwanz gebunden hat. Man könnte vielleicht sagen, ich schnitt die Schnur durch, die die Dose hielt aber eins kann ich euch versichern: ihn selbst wurde ich nicht so leicht los wie seinen Namen.
    Nicht, daß ich es erwartet hätte; ich bin fünfundsechzig, und ich weiß seit mindestens fünfzig von diesen Jahren, daß das Menschsein zum größten Teil darin besteht, Entscheidungen zu treffen und Rechnungen zu bezahlen, wenn sie fällig sind. Manche dieser Entscheidungen sind verdammt widerwärtig, aber das gibt einem noch lange nicht das Recht, sie einfach zu umgehen - zumal dann nicht, wenn es andere gibt, die auf einen angewiesen sind und darauf, daß man für sie tut, was sie nicht für sich selbst tun können. Wenn es so ist, muß man einfach die bestmögliche Entscheidung treffen und dann den Preis dafür bezahlen. Für mich war der Preis eine Menge Nächte, in denen ich in kalten Schweiß gebadet aus schlimmen Träumen aufwachte, und noch mehr Nächte, in denen ich überhaupt nicht schlafen konnte; das und das Geräusch, das der Stein machte, als ich ihm damit ins Gesicht schlug und ihm den Schädel und das Gebiß brach  - dieses Geräusch wie ein Teller auf einem Ziegelsteinboden. Ich habe es dreißig Jahre lang gehört. Manchmal ist es das, was mich aufweckt, und manchmal das, was mich am Schlafen hindert; und manchmal überrascht es mich am hellichten Tage. Ich fege vielleicht gerade zuhause die Veranda oder putze bei Vera das Silber oder sitze essend vor dem Fernseher, und ganz plötzlich höre ich es. Dieses Geräusch. Oder seinen Aufprall auf dem Grund. Oder seine Stimme, die aus dem Brunnen kommt: »Doh-lorrrissss…«
    Ich glaube nicht, daß diese Geräusche, die ich manchmal höre, etwas ganz und gar anderes sind als das, was Vera sah, wenn sie loskreischte wegen der Drähte in den Ecken oder der Staubflocken unter dem Bett. Nachdem sich ihr Zustand erheblich verschlechtert hatte, kam es vor, daß ich zu ihr ins Bett kroch und sie in den Armen hielt und an das Geräusch dachte, das der Stein gemacht hatte, und dann machte ich die Augen zu und sah, wie ein Porzellanteller auf einem Ziegelsteinboden landete und zu Bruch ging. Wenn ich das sah, drückte ich sie an mich, als wäre sie meine Schwester, oder als wäre sie ich selbst. Wir lagen zusammen in diesem Bett, jede mit ihrem eigenen Entsetzen, und schließlich schliefen wir beide ein  - sie mit mir, damit ich die Staubflocken von ihr fernhielt, und ich mit ihr, damit sie das Geräusch des Tellers von mir fernhielt. Und manchmal dachte ich, bevor ich einschlief: So ist es. So mußt du dafür bezahlen, daß du ein Luder bist. Und es hat keinen Sinn zu sagen, wenn du kein Luder gewesen wärest, dann würdest du auch nicht bezahlen müssen, denn manchmal macht einen die Welt zum Luder. Wenn draußen alles düster und finster ist und nur du drinnen bist, um ein Licht anzuzünden und darauf aufzupassen, dann mußt du ein Luder sein. Aber oh, der

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