Dolores
machen Sie, daß Sie hier rauskommen!« kreischte sie. »Ich versuche zu schlafen, und das kann ich nicht, wenn Sie alle zwanzig Minuten hier hereingestürmt kommen wie ein aufgeregter Bulle!«
»Also gut«, sagte ich, »ich gehe, aber erst, nachdem ich Ihnen die Pfanne untergeschoben habe. Dem Geruch nach zu urteilen, würde ich sagen, daß ein kleiner Schrecken alles war, was Sie gegen Ihre Verstopfung brauchten.«
Sie schlug mir auf die Hände und fluchte - sie konnte ganz gewaltig fluchen, wenn sie wollte, und sie wollte es immer, wenn jemand ihr in die Quere kam -, aber ich kümmerte mich nicht darum. Ich schob ihr blitzschnell die Bettpfanne unter, und alles kam heraus, wie es sich gehörte. Als es erledigt war, sah sie mich an und ich sah sie tan, und keiner von uns brauchte etwas zu sagen. Schließlich kannten wir uns lange genug.
So, du niederträchtige alte Hexe, sagte ich mit meinem Gesicht, jetzt habe ich dich wieder dabei erwischt, und wie gefällt dir das?
Nicht besonders gut, Dolores, sagte sie mit ihrem, aber das ist schon in Ordnung; daß du mich einmal erwischt hast, bedeutet noch lange nicht, daß du mich immer erwischen wirst.
Aber ich hatte sie erwischt - jedenfalls diesmal. Es gab noch öfters kleinere Schweinereien, aber nie wieder so eine wie die, von der ich euch erzählt habe. Das war im Grunde ihr letzter Triumph gewesen. Danach wurden die Zeiten, in denen sie bei klarem Verstand war, immer seltener, und wenn sie kamen, dann waren sie kurz. Das schonte meinen schmerzenden Rücken, aber es machte mich auch traurig. Sie war eine Pest, aber eine, an die ich mich gewöhnt hatte - wenn es kam, nahm ich es als das, was es war, und gab mich nicht irgendwelchen Hirngespinsten hin, es könnte Krebs oder eine Herzattacke sein, wenn ihr versteht, was ich meine.
Könnte ich noch ein Glas Wasser haben, Frank?
Danke. Reden macht durstig. Und wenn du dich entschließen solltest, dieser Flasche Jim Beam in deinem Schreibtisch ein bißchen frische Luft zu gönnen, Andy, dann werde ich es niemandem verraten.
Nein? Na schön, von Leuten wie dir habe ich auch nichts anderes erwartet.
So - wo war ich stehen geblieben?
Oh, ich weiß. Bei dem, wie sie war. Nun, die dritte Art, auf die sie ein Luder war, war die schlimmste. Sie war ein Luder, weil sie eine unglückliche alte Lady war, die nichts anderes zu tun hatte, als in einem Schlafzimmer im Oberstock zu sterben, auf der Insel, weit weg von den Orten und Leuten, die sie die meiste Zeit ihres Lebens gekannt hatte. Das war schon schlimm genug, aber dabei verlor sie auch noch den Verstand - und ein Teil von ihr wußte, daß der Rest einem unterspülten Flußufer glich, das jederzeit abrutschen konnte.
Sie war einsam, und das war es, was ich nicht verstanden habe. Ich habe nie begriffen, weshalb sie ihr ganzes Leben über Bord warf und kam, um auf der Insel zu leben. Jedenfalls bis gestern nicht. Aber sie war auch verängstigt, und das konnte ich sehr gut verstehen. Und dennoch hatte sie eine grauenhafte, beängstigende Kraft, wie eine sterbende Königin, die selbst am Ende ihre Krone nicht loslassen will; fast so, als müßte Gott selbst einen Finger nach dem anderen von ihr lösen.
Sie hatte ihre guten Tage und ihre schlechten - das habe ich euch erzählt. Das, was ich ihre Anfälle nenne, kam immer zwischendurch, während des Übergangs von ein paar klaren Tagen zu einer oder zwei benebelten Wochen, oder von ein oder zwei benebelten Wochen zu ein paar Tagen, an denen sie wieder klar war. Wenn sich ihr Zustand änderte, war es ungefähr so, als wäre sie nirgendwo - und auch das wußte ein Teil von ihr. Das waren die Zeiten, in denen sie ihre Halluzinationen hatte.
Vermutlich kamen sie nicht alle an den Sonntagnachmittagen oder mitten in der Nacht; wahrscheinlich ist es nur so, daß ich mich an diese am besten erinnere, weil es dann still war im Haus und ich einen Mordsschrecken bekam, wenn sie zu schreien anfing. Es war ungefähr so, als gösse einem jemand an einem heißen Sommertag einen Eimer voll Eiswasser über den Kopf; jedesmal glaubte ich, mir bliebe das Herz stehen, wenn ihr Geschrei losging, und jedesmal glaubte ich, ich würde in ihr Zimmer kommen und sie sterbend vorfinden. Aber die Dinge, vor denen sie sich fürchtete, waren immer unsinnig. Ich meine, ich wußte, daß sie sich fürchtete, und ich konnte mir ziemlich gut vorstellen, wovor sie sich fürchtete, aber niemals, warum.
»Die Drähte!« jammerte sie manchmal, wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher