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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gewesen wäre. Sie hat mir einmal eine Decke gestrickt, müßt ihr wissen das war lange, bevor es ihr wirklich schlecht ging, aber sie liegt immer noch auf meinem Bett und ist wunderbar warm in diesen Februarnächten, in denen der Wind ums Haus pfeift.
    Dann, ungefähr einen Monat oder anderthalb Monate, nachdem ich mit meiner Idee aufgewacht war, kam sie wieder zu sich. Sie schaute sich in ihrem kleinen Schlafzimmerfernseher Jeopardy an und beschimpfte die Kandidaten, wenn sie nicht wußten, wer während des Spanisch-Amerikanischen Krieges Präsident war oder wer in Vom Winde verweht die Melanie gespielt hatte. Sie fing wieder mit dem alten Gerede darüber an, daß ihre Kinder vor dem Labor Day vielleicht kommen und sie besuchen würden. Und natürlich gab sie keine Ruhe, bis ich sie in ihren Stuhl gesetzt hatte, damit sie zusehen konnte, wie ich die Wäsche aufhängte, und aufpassen, ob ich auch wirklich sechs Klammern nahm und nicht nur vier. 
    Und dann kam ein Donnerstag, an dem ich am Mittag die Bettpfanne knochentrocken und so leer wie die Versprechungen eines Handlungsreisenden unter ihr hervorzog. Ich kann euch gar nicht sagen, wie es mich freute, die leere Pfanne zu sehen. Also auf in den Kampf, du schlaues altes Luder, dachte ich. Jetzt wird es sich zeigen. Ich ging hinunter und rief Susy Proulx ins Wohnzimmer.
    »Ich möchte, daß du heute hier saugst, Susy«, teilte ich ihr mit.
    »Okay, Missus Claiborne«, sagte sie. So nannten sie mich beide, Andy - was das angeht, nannten mich fast alle Leute auf der Insel so. Ich habe nie eine große Sache daraus gemacht, in der Kirche oder so, aber so ist es nun einmal. Es ist ungefähr so, als glaubten sie, ich wäre irgendwann in meiner dunklen Vergangenheit einmal mit einem Typ namens Claiborne verheiratet gewesen. Oder vielleicht wollte ich auch nur glauben, daß sich die meisten nicht mehr an Joe erinnerten, obwohl ich ziemlich sicher bin, daß es eine Menge Leute gibt, die das heute noch tun. Aber das spielt im Grunde keine Rolle; vermutlich ist es mein gutes Recht, zu glauben, was ich glauben möchte; schließlich war ich diejenige, die mit dem Mistkerl verheiratet war.
    »Ist mir recht«, fuhr sie fort, »aber warum flüstern Sie?« 
    »Das ist meine Sache«, sagte ich, »und du redest gefälligst auch leise. Und paß gut auf, daß du da drinnen nichts zerbrichst, Susan Emma Proulx - sonst kannst du etwas erleben.«
    Nun, sie wurde rot wie das Auto der Freiwilligen Feuerwehr; es war wirklich irgendwie amüsant. »Woher wissen Sie, daß mein zweiter Vorname Emma ist?« »Das geht dich nichts an«, sagte ich. »Ich lebe seit einer halben Ewigkeit auf Little Tall, und ich weiß über eine Menge Dinge Bescheid und auch über die Leute, von denen ich sie weiß. Hauptsache, du passt auf, wo du deine Ellenbogen hintust, vor allem, wenn du in die Nähe der Möbel und von Missus Donovans Glasvasen kommst. Dann brauchst du dir keine grauen Haare wachsen zu lassen.«
    »Ich werde ganz besonders vorsichtig sein«, sagte sie. Ich schaltete den Kirby für sie ein, und dann ging ich in die Diele, legte die Hände an den Mund und schrie: »Susy! Shawna! Ich sauge jetzt das Wohnzimmer!«
    Susy stand natürlich ganz in meiner Nähe, und ich kann euch sagen, ihr Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Ich schwenkte nur die Hand, bedeutete ihr, sich an die Arbeit zu machen und sich nicht um mich zu kümmern. Was sie dann auch tat.
    Ich schlich auf Zehenspitzen zum Fuß der Treppe und bezog meine alte Position. Ich weiß, es ist albern, aber ich bin nie mehr so aufgeregt gewesen, seit mein Dad mich zum ersten Mal mit auf die Jagd genommen hatte, als ich zwölf war. Es war auch dieselbe Art von Gefühl, bei dem einem das Herz heftig und irgendwie flach in Brust und Hals klopft. Diese Frau hatte außer all dem teuren Glas Dutzende von wertvollen Antiquitäten in ihrem Wohnzimmer, aber ich verschwendete keinen einzigen Gedanken an Susy Proulx, die dazwischen herumwirtschaftete wie ein tanzender Derwisch. Könnt ihr euch das vorstellen?
    Ich zwang mich, zu bleiben, wo ich war, solange ich konnte, ungefähr anderthalb Minuten, glaube ich. Dann rannte ich los. Und als ich in ihr Zimmer stürmte, lag sie da, mit knallrotem Gesicht, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen und die Fäuste geballt. »Unhh! Unhhh! UNHHH!« Aber sie riß die Augen blitzschnell auf, als sie hörte, wie die Tür aufging. Oh, ich wollte, ich hätte einen Fotoapparat gehabt - es war einmalig.
    »Dolores,

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