Dolores
dem Bett wären auch noch welche. Also ging ich auf Hände und Knie runter und tat so, als fegte ich auch unter dem Bett. Einmal wäre die verrückte, verängstigte alte Kuh beinahe aus dem Bett auf mich gefallen, weil sie versuchte, sich vorzubeugen und selbst nachzusehen. Wahrscheinlich hätte sie mich zerquetscht wie eine Fliege. Das war ein Theater gewesen!
Nachdem ich alle Stellen gefegt hatte, die sie ängstigten, zeigte ich ihr das leere Kehrblech und sagte: »Da sehen Sie? Ich habe jedes einzelne dieser verdammten Dinger erwischt.«
Sie schaute zuerst auf das Kehrblech, und dann sah sie zu mir auf, am ganzen Leibe zitternd, und mit Augen, die so in ihren eigenen Tränen ertrunken waren, daß sie aussahen wie Steine in einem Fluß, und flüsterte: »Oh, Dolores, sie sind so grau! So ekelhaftl Schaffen Sie sie weg. Bitte, schaffen Sie sie weg!«
Ich brachte den Besen und das leere Kehrblech wieder hinaus vor meine eigene Tür, griffbereit für das nächste Mal, und dann kehrte ich zurück, um sie so gut wie möglich zu beruhigen. Und auch mich zu beruhigen. Und wenn ihr glaubt, ich hätte keine Beruhigung nötig gehabt, dann solltet ihr mal ausprobieren, wie es ist, wenn man in einem großen alten Museum mitten in der Nacht aufwacht, während draußen der Wind heult und drinnen eine verrückte alte Frau kreischt. Mein Herz arbeitete wie eine Lokomotive, und ich bekam kaum Luft - aber sie durfte nicht merken, wie es um mich bestellt war, denn dann hätte sie angefangen, an mir zu zweifeln, und wohin wären wir dann gekommen?
Was ich meistens nach einem solchen Anfall tat, war, ihr das Haar zu bürsten - das schien sie am schnellsten zu beruhigen. Anfangs stöhnte oder weinte sie, und manchmal streckte sie die Arme aus und zog mich an sich, drückte ihr Gesicht an meinen Bauch. Ich erinnere mich, wie heiß ihre Wangen und ihre Stirn immer waren, nachdem sie einen ihrer Staubflocken-Anfälle gehabt hatte, und manchmal durchweichte sie mein Nachthemd mit ihren Tränen. Arme alte Frau! Wahrscheinlich kann sich hier keiner von uns vorstellen, wie es ist, wenn man so alt ist und Teufel hinter einem her sind, die man nicht erklären kann, nicht einmal sich selbst.
Manchmal genügte eine knappe halbe Stunde mit der Haarbürste. Sie schaute weiterhin an mir vorbei in die Ecke, und zwischendurch hielt sie immer wieder den Atem an
und wimmerte. Oder sie streckte die Hand ganz vorsichtig in das Dunkel unter dem Bett und zog sie dann schnell zurück, als rechnete sie damit, daß irgendetwas darunter war und sie beißen wollte. Ein- oder zweimal bildete sogar ich mir ein, daß sich da unten etwas bewegte, und ich mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht gleichfalls loszuschreien. Was ich sah, war natürlich nur der Schatten ihrer Hand, das weiß ich, aber es beweist, in was für eine Verfassung sie mich gebracht hatte. Ja, sogar mich, und dabei bin ich gewöhnlich ebenso nüchtern wie laut.
Bei den Malen, bei denen nichts anderes half, legte ich mich zu ihr ins Bett. Ihre Arme schlangen sich um mich und hielten mich fest, und sie legte die Wange auf das, was von meinem Busen noch übrig ist, und ich schlang meine Arme um sie und hielt sie fest, bis sie einschlief. Dann schlich ich mich aus dem Bett, ganz langsam und vorsichtig, um sie nicht zu wecken, und kehrte in mein Zimmer zurück. Es gab einige Male, an denen ich nicht einmal das tat. Bei diesen Malen - das war immer dann, wenn sie mich mitten in der Nacht mit ihrem Gekreisch aufgeweckt hatte - bin ich zusammen mit ihr eingeschlafen.
In einer dieser Nächte träumte ich selber von den Staubflocken. Aber in dem Traum war ich nicht ich selbst. Ich war sie, an dieses Krankenhausbett gefesselt, so fett, daß ich mich ohne Hilfe nicht einmal umdrehen konnte, und tief drinnen in meiner Scheide brannte es von der Harninfektion, die nie ganz verschwand, weil sie da unten immer feucht war und im Grunde keinerlei Abwehrkräfte gegen irgendetwas hatte. Die Fußmatte mit der Aufschrift WELCOME war ausgelegt für jeden Krankheitserreger, der des Weges kam, könnte man sagen, und er lag immer richtig herum.
Ich schaute hinüber in die Ecke, und was ich sah, war ein Ding, das aussah wie ein Kopf aus Staub. Seine Augen waren verdreht, und sein Mund stand offen und war voll von langen, vorstehenden Staubzähnen. Es bewegte sich auf das Bett zu, aber langsam, und als es sich wieder auf die Gesichtsseite gewälzt hatte, schauten die Augen mich direkt an, und ich sah, daß es
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