Dolores
fiel mit ihm.
Da wurde ich ohnmächtig. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich ohnmächtig wurde, nur daran, daß ich mich langlegte und zum Himmel emporschaute. Da war nichts zu sehen wegen der Wolken, also machte ich die Augen zu - und als ich sie wieder aufmachte, war der Himmel voller Sterne. Ich brauchte eine Weile, bis ich begriffen hatte, was passiert war, daß ich ohnmächtig gewesen war und die Wolken sich verzogen hatten, während ich hinüber war.
Die Taschenlampe lag nach wie vor im Gestrüpp neben dem Brunnen, und der Strahl war immer noch hell. Ich nahm sie und richtete sie in den Brunnen. Joe lag auf dem Grund, mit dem Kopf auf einer Schulter, den Händen im Schoß und weit gespreizten Beinen. Der Stein, mit dem ich ihn erschlagen hatte, lag zwischen ihnen.
Ich hielt die Lampe fünf Minuten lang auf ihn gerichtet, wartete, ob er sich bewegte, aber er tat es nicht. Dann stand ich auf und ging ins Haus zurück. Ich mußte zweimal stehenbleiben, weil die Welt vor meinen Augen verschwamm, aber schließlich hatte ich es geschafft. Ich ging ins Schlafzimmer, zog mich unterwegs aus und ließ meine Sachen da liegen, wo sie gerade hingefallen waren. Ich ging unter die Dusche und stand ungefähr zehn Minuten lang einfach da, unter Wasser, so heiß, wie ich es grade aushaken konnte, seifte mich nicht ab, wusch nicht meine Haare, tat nichts, stand nur da mit dem Gesicht nach oben, so daß das Wasser darüber hinwegströmte. Ich glaube, ich wäre unter der Dusche eingeschlafen, wenn das Wasser nicht allmählich kälter geworden wäre. Ich wusch mir schnell die Haare, bevor es richtig eiskalt wurde, und stieg dann raus. Meine Arme und Beine waren überall zerkratzt, und mein Hals tat immer noch verdammt weh, aber ich glaubte nicht, daß ich daran sterben würde. Die Idee, daß man sich bei all diesen Kratzern irgendwas denken könnte, von den Quetschungen an meinem Hals gar nicht zu reden, nachdem Joe im Brunnen gefunden worden war, kam mir überhaupt nicht. Jedenfalls da noch nicht.
Ich zog mein Nachthemd an und fiel aufs Bett und schlief bei eingeschaltetem Licht sofort ein. Eine Stunde später wachte ich schreiend wieder auf, mit Joes Hand an meinem Knöchel. Ich hatte einen Moment der Erleichterung, als mir klar wurde, daß es nur ein Traum gewesen war, aber dann dachte ich: Was ist, wenn er wieder aus dem Brunnen rausklettert? Ich wußte, daß er es nicht tat daß ich ihm den Rest gegeben hatte, als ich ihn mit diesem Stein erschlug und er zum letztenmal hinunterstürzte aber ein Teil von mir war sicher, daß er es tat und daß er in ein oder zwei Minuten draußen sein würde. Und sobald er draußen war, würde er hinter mir her sein.
Ich versuchte, liegenzubleiben und abzuwarten, aber ich konnte es nicht - das Bild, wie er an der Brunnenwand hochkletterte, wurde immer deutlicher, und mein Herz klopfte so heftig, als wollte es explodieren. Schließlich zog ich meine Schuhe an, griff wieder nach der Taschenlampe und lief im Nachthemd hinaus. Diesmal kroch ich an den Brunnenrand heran; ich brachte es einfach nicht fertig, aufrecht zu gehen. Ich hatte viel zu viel Angst davor, daß seine weiße Hand wieder aus der Dunkelheit hervorkommen und nach mir greifen könnte.
Endlich richtete ich die Lampe nach unten. Er lag noch genau so da wie vorher, mit den Händen im Schoß und dem zur Seite geneigten Kopf. Der Stein lag noch an (derselben Stelle zwischen seinen gespreizten Beinen. Ich schaute lange Zeit hinunter, und als ich diesmal ins Haus zurückkehrte, hatte ich angefangen zu begreifen, daß er wirklich tot war.
Ich kroch ins Bett, schaltete das Licht aus und schlief ziemlich schnell ein. Das letzte, woran ich dachte, war: jetzt ist alles in Ordnung; aber das war es nicht. Ein paar Stunden später wachte ich wieder auf, ganz sicher, daß ich jemanden in der Küche hörte. Sicher, daß ich Joe in der Küche hörte. Ich versuchte, aus dem Bett zu springen, meine Füße verhedderten sich in den Decken, und ich fiel hin. Ich stand wieder auf und tastete nach dem Lichtschalter, ganz sicher, daß ich seine Hände an meiner Kehle spüren würde, bevor ich ihn gefunden hatte.
Das passierte natürlich nicht. Ich schaltete das Licht ein und ging durchs ganze Haus. Es war leer. Dann zog ich die Schuhe an, nahm die Taschenlampe und lief wieder hinaus zum Brunnen.
Joe lag immer noch auf dem Grund, mit den Händen im Schoß und dem Kopf auf der Schulter. Aber diesmal mußte ich sehr lange runterschauen, bevor ich
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