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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ins Haus. Den größten Teil des Vormittags verbrachte ich damit, im Haus und auf der Veranda rumzuwandern und Ausschau zu halten - nun, ich weiß nicht, wonach ich eigentlich Ausschau hielt. Vielleicht rechnete ich damit, daß dieses innere Auge noch etwas entdeckte, das getan oder erledigt werden mußte, so, wie es das bei den Brettern getan hatte. Aber falls es das gewesen sein sollte - ich entdeckte nichts.
    Gegen elf tat ich den nächsten Schritt, der darin bestand, daß ich Gail Lavesque in Pinewood anrief. Ich fragte sie, was sie von der Finsternis und alledem hielte, dann fragte ich, wie die Dinge im Hause Ihrer Hoheit stünden. »Nun«, sagte sie, »ich kann mich nicht beklagen, weil ich noch niemanden zu Gesicht bekommen habe außer dem alten Kerl mit dem kahlen Schädel und dem ZahnbürstenSchnurrbart - du weißt, wen ich meine?«
    Ich sagte, ich wüßte es.
    »Er kam gegen halb zehn runter und ging in den Garten, wo er langsam rumwanderte und sich den Kopf hielt, aber er war wenigstens auf, was man von allen anderen nicht sagen kann. Als Karen ihn fragte, ob er ein Glas frisch gepreßten Orangensaft wollte, lief er an den Rand der Veranda und kotzte in die Petunien. Das hättest du sehen sollen, Dolores!«
    Ich lachte, bis mir fast die Tränen kamen, und nie hat mir ein Lachen wohler getan.
    »Sie müssen eine tolle Party gehabt haben, als sie von der Fähre zurück waren«, sagte Gail. »Wenn ich für jede Zigarettenkippe, die ich heute morgen aufgesammelt habe, einen Cent bekäme - nur einen Cent, nicht mehr -, dann könnte ich mir einen brandneuen Chevy kaufen. Aber bis Missus Donovan so weit ist, daß sie ihren Kater die Treppe runterschleppt, habe ich das Haus wieder pieksauber, darauf kannst du dich verlassen.«
    »Das weiß ich«, sagte ich. »Und falls du Hilfe brauchen solltest, weißt du ja, wen du anrufen kannst.«
    Das tat Gail mit einem Lachen ab. »Kommt gar nicht in Frage«, sagte sie. »Du hast dir in der letzten Woche die Finger wundgeschuftet - und das weiß Missus Donovan so gut, wie ich es weiß. Sie will dich vor morgen früh nicht hier sehen, und ich auch nicht.«
    »Na schön«, sagte ich, und dann legte ich eine kleine Pause ein. Sie rechnete bestimmt damit, daß ich mich verabschiedete, und wenn ich statt dessen etwas anderes sagte, würde sie besonders aufmerksam zuhören - und das war genau, was ich wollte. »Du hast wohl nicht zufällig Joe dort in der Gegend gesehen?« fragte ich sie. 
    »Joe?« sagte sie. »Deinen Joe?«
    »Ja.«
    »Nein - den habe ich nicht zu Gesicht bekommen. Warum fragst du?«
    »Er ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen.« 
    »Oh, Dolores!« sagte sie, und ihre Stimme hörte sich bestürzt und zugleich interessiert an. »Hat er getrunken?« 
    »Natürlich«, sagte ich. »Nicht, daß ich mir ernsthaft Sorgen mache - schließlich ist es nicht das erste Mal, daß er die ganze Nacht ausgeblieben ist und den Mond angeheult hat. Er wird schon wieder auftauchen; das tun schlechte Groschen immer.«
    Dann legte ich auf mit dem Gefühl, beim Ausstreuen des ersten Samens gute Arbeit geleistet zu haben.
    Am Mittag machte ich mir ein Käsesandwich auf Toast, und dann brachte ich es nicht runter. Der Geruch des Käses und des gerösteten Brotes bewirkte, daß sich mein Magen heiß und verschwitzt anfühlte. Ich schluckte statt dessen zwei Aspirin und legte mich hin. Ich rechnete nicht damit, daß ich einschlafen würde, aber ich tat es. Als ich wieder aufwachte, war es fast vier Uhr und damit an der Zeit, ein paar weitere Samen auszustreuen. Ich rief Joes Freunde an - das heißt, die paar, die Telefon hatten - und fragte jeden, ob sie ihn gesehen hätten. Er ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen, sagte ich, er ist immer noch nicht nach Hause gekommen, und ich fange an, mir Sorgen zu machen. Alle sagten nein, natürlich, und jeder von ihnen wollte sämtliche blutrünstigen Einzelheiten hören, aber der einzige, zu dem ich etwas sagte, war Tommy Anderson - vermutlich weil ich wußte, daß Joe Tommy gegenüber immer damit angab, wie er seine Frau bei der Stange hielt, und daß der arme, einfältige Tommy das gläubig schluckte. Natürlich achtete ich darauf, daß ich es nicht übertrieb; ich sagte nur, Joe und ich hätten einen Streit gehabt und Joe wäre vermutlich wütend abgezogen. Am Abend rief ich noch ein paar weitere Leute an, darunter auch einige, mit denen ich vorher schon gesprochen hatte, und stellte erfreut fest, daß bereits Geschichten die Runde

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