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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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begann ich daher zu schwören, dass ich nicht Priester werden würde. Damals schwor ich viel und inbrünstig, bei meinem Leben und meinem Tode. Ich schwor also bei meiner Todesstunde, dass mir, falls ich ins Seminar ginge, in der Stunde meines Todes das Licht fehlen solle. Capitu schien mir nicht zu glauben, aber auch nicht an mir zu zweifeln, schien mir kaum zuzuhören. Sie wirkte wie eine Holzfigur. Ich wollte sie rufen, sie schütteln, doch mir fehlte der Mut. Dieses Wesen, das mit mir geklettert war, mit mir gespielt und getanzt und vermutlich sogar bei mir geschlafen hatte, ließ mich nun angstvoll und mit hängenden Armen dastehen. Endlich kam sie zu sich und stieß, das Gesicht noch immer leichenblass, diese wütenden Worte aus: «Scheinheilige! Bigotte! Frömmlerin!»
    Ich war wie betäubt. Capitu mochte meine Mutter so sehr, und meine Mutter auch sie, dass ich diesen Ausbruch einfach nicht verstehen konnte. Selbstverständlich mochte sie auch mich, und natürlich noch mehr oder anders, was den Verdruss über die drohende Trennung erklärte; aber warum diese Beleidigungen, wie war es zu verstehen, dass sie meine Mutter mit solchen Schimpfwörtern bedachte, die noch dazu religiöse Bräuche schlechtmachten, die auch die ihren waren? Sie ging doch auch zum Gottesdienst, und drei- oder viermal hatte meine Mutter sie sogar in unserer alten Chaise mitgenommen. Außerdem hatte sie ihr einen Rosenkranz, ein goldenes Kruzifix und ein Stundenbuch 17 geschenk t … Ich wollte meine Mutter verteidigen, doch Capitu ließ es nicht zu und schimpfte sie nochmals eine Scheinheilige und Bigotte, und zwar so laut, dass ich fürchtete, ihre Eltern könnten es hören. Ich hatte sie niemals so wütend gesehen. Sie schien wild entschlossen, ihre Wut lautstark mitzuteilen. Sie knirschte mit den Zähnen und schüttelte den Kop f … Ich war so erschrocken, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Daher wiederholte ich meine Schwüre, versprach, noch am selben Abend zu Hause zu erklären, dass ich um nichts in der Welt ins Priesterseminar eintreten würde.
    «Du? Du wirst eintreten.»
    «Nein. Ich trete nicht ein.»
    «Du wirst schon sehen, was du machst.»
    Sie schwieg erneut. Als sie wieder zu reden anfing, war sie verändert; es war zwar noch immer nicht ganz die alte Capitu, doch zumindest annähernd. Sie war ernst, aber nicht mehr verzweifelt; leise verlangte sie mehr über die Unterhaltung bei mir zu Hause zu erfahren. Ich erzählte ihr alles, bis auf den Teil, der sie betraf.
    «Und was bezweckt José Dias damit, dass er das alles jetzt in Erinnerung ruft?», fragte sie am Ende.
    «Ich glaube, gar nichts. Er tat es aus reiner Boshaftigkeit. Er ist einfach ein schlechter Mensch. Aber das wird er mir büßen, glaub mir. Wenn ich erst einmal Herr im Haus bin, wird er auf die Straße gesetzt, das wirst du sehen. Er bleibt mir keinen Augenblick länger. Mama ist zu gutherzig, sie kümmert sich zu sehr um ihn. Mir war auch, als hätte es Tränen gegeben.»
    «Bei José Dias?»
    «Nein, bei Mama.»
    «Warum hat sie geweint?»
    «Das weiß ich nicht. Ich hörte nur die anderen sagen, dass sie nicht weinen solle, weil das kein Grund zum Weinen se i … Ihm tat es dann leid, und er ging hinaus. Und damit ich nicht erwischt werde, bin ich von meiner Ecke auf die Veranda gerannt. Aber er wird mir das büßen, glaub mir!»
    Während ich dies sagte, ballte ich die Hand zur Faust und stieß weitere Drohungen aus. Wenn ich daran denke, komme ich mir nicht lächerlich vor, denn Jugend und Kindheit sind in dieser Hinsicht nicht lächerlich. Das zeichnet sie aus. Die Gefahr der Lächerlichkeit beginnt erst im jungen Erwachsenenalter, wächst in der Reifezeit und erlangt im Alter ihren Höhepunkt. Mit fünfzehn hat es sogar noch einen gewissen Reiz, ungestüm zu drohen, ohne Taten folgen zu lassen.
    Capitu überlegte. Das tat sie oft, und man erkannte es daran, dass sie die Augen zusammenkniff. Sie wollte weitere Details wissen, die genauen Worte des einen oder des anderen sowie ihren Tonfall. Da ich den Ausgangspunkt der Unterhaltung, der ja sie selbst gewesen war, nicht verraten wollte, konnte ich ihr nicht alles enthüllen. Capitus Augenmerk lag nun verstärkt auf den Tränen meiner Mutter, die sie einfach nicht verstand. Sie versicherte mir, meine Mutter mache mich bestimmt nicht aus böser Absicht zum Priester, sondern wegen dieses alten Gelübdes, das sie unbedingt erfüllen wollte, weil sie Gott fürchtete. Ich war so froh über ihren

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