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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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ganz langsam ein, doch es verriet mich entweder mein Schritt oder der Spiegel. Letzterer wohl eher nicht, denn es war ein billiges Ding (man verzeihe mir meine Herablassung), gekauft bei einem italienischen Straßenhändler, mit grobem Rahmen und blecherner Aufhängung, der zwischen zwei Fenstern an der Wand hing. Wenn es also nicht der Spiegel war, dann war es mein Schritt. Wie auch immer, jedenfalls flogen, kaum dass ich das Zimmer betreten hatte, Kamm, Haare und das ganze Mädchen auf, und ich hörte nur noch diese eine Frage: «Gibt es etwas Neues?»
    «Nein, nichts», antwortete ich. «Ich wollte dich nur kurz sehen, bevor Pater Cabral zum Unterricht kommt. Wie hast du geschlafen?»
    «Ich, gut. Hat José Dias noch nichts gesagt?»
    «Offensichtlich nicht.»
    «Aber wann spricht er denn endlich mit ihr?»
    «Er hat mir gesagt, er wolle die Angelegenheit heute oder morgen ansprechen; aber er wird nicht direkt zur Sache kommen, er wird um den heißen Brei herumreden, die Sache nur andeuten. Dann erst wird er konkret werden. Er will nämlich zunächst sehen, ob Mama wirklich fest entschlossen is t …»
    «Das ist sie, das ist sie», fiel Capitu mir ins Wort. «Wir hätten uns doch gar nicht an ihn gewandt, wenn wir nicht jemanden bräuchten, der sie jetzt ein für alle Mal von ihrem Plan abbringt. Ich bin mir auch gar nicht mehr so sicher, ob José Dias tatsächlich so viel Einfluss nehmen kann. Zwar wird er wohl alles versuchen, wenn er spürt, dass du wirklich nicht Priester werden willst. Aber wird er es schaffen ? … Er wird gehört, ja, aber ob er ernstlic h … Das ist doch die Hölle! Du musst ihn drängen, Bentinho.»
    «Ich dränge ihn. Noch heute wird er mit ihr sprechen.»
    «Schwörst du mir das?»
    «Ich schwöre es! Lass mich mal deine Augen sehen, Capitu.»
    Mir war nämlich die Definition wieder eingefallen, mit der José Dias sie belegt hatte: «die Augen einer listigen, hinterhältigen Zigeunerin». Ich wusste nicht, was listig war, doch hinterhältig kannte ich, und daher wollte ich sehen, ob man sie wirklich so bezeichnen konnte. Capitu ließ sich anstarren und untersuchen. Sie fragte mich nur, was los sei, ob ich ihre Augen noch nie gesehen hätte. Ich fand nichts Außergewöhnliches an ihnen; ihre Farbe und ihr sanfter Ausdruck waren mir wohlbekannt. Die Länge der Betrachtung muss ihr wohl eine andere Vorstellung von meiner Absicht vermittelt haben; sie glaubte wohl, es gehe mir lediglich darum, sie aus größerer Nähe zu betrachten, meine Augen länger, dauerhafter auf die ihren zu richten. Und dem schreibe ich zu, dass ihre Augen immer größer wurden, größer und dunkler, mit einem Ausdruck, de r …
    Rhetorik der Verliebten, verhilf mir zu einem passenden poetischen Vergleich, damit ich ausdrücken kann, was Capitus Augen waren! Mir fällt kein geeignetes Bild ein, das ohne Stilbruch das beschreiben könnte, was sie für mich waren und was sie mit mir machten. Augen wie das wogende Meer? Na schön, wie das wogende Meer. Das bezeichnet diesen neuen Ausdruck annähernd. Ihre Augen schienen nämlich erfüllt von einem geheimnisvollen, starken Fließen, einer Kraft, die mich in ihr Inneres hineinriss wie die Welle des wogenden Meeres, die vom Strand ins Meer zurückgesogen wird. Um nicht mitgerissen zu werden, klammerte ich mich an die benachbarten Körperteile, die Ohren, Arme, das über die Schultern fallende Haar; doch bald schon suchte ich wieder ihre Pupillen, und die ihnen entströmende Welle wuchs dunkel und hohl, drohte, mich einzuhüllen, mitzuziehen und zu verschlucken. Wie viele Minuten mochten wir wohl mit diesem Spiel zugebracht haben? Einzig die Uhren des Himmels haben diese endlose und zugleich kurze Zeit erfasst. Die Ewigkeit verfügt über ihr eigenes Pendel; und obwohl sie niemals endet, will sie um doch die Dauer des Glücks und der Qualen wissen. Vielleicht verdoppelt es ja die Freuden der Seligen im Himmel, wenn sie erfahren, wie viel Leid ihre Feinde in der Hölle bereits erlitten haben. Und ebenso verschlimmert das Wissen um die Anzahl der Freuden, die die Widersacher im Himmel erlebt haben, die Pein derer, die zur Hölle verdammt sind. Diese weitere Qual hat der göttliche Dante vergessen, aber mir steht es hier nicht zu, Dichter zu korrigieren. Meine Aufgabe ist es zu erzählen, dass ich mich nach einer nicht erfassten Zeit an Capitus Haare klammerte, diesmal jedoch mit den Händen, und sagte – um irgendetwas zu sagen –, dass ich sie ihr kämmen könne, wenn

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