Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
Vom Netzwerk:
nicht, zwischen vier Wänden und ein paar Bäumen verheiratet zu sein. Sie brauchte auch die Außenwelt. Und als ich dann selbst dort unten mit ihr durch die Straßen wandelte, stehen blieb, herumschaute und plauderte, empfand ich genau dasselbe. Ich dachte mir Erledigungen aus, nur damit man mich sähe, wahrnähme und beneidete. Auf der Straße drehten sich viele neugierig nach uns um, andere blieben stehen oder fragten: «Wer sind die beiden?» Und jemand, der Bescheid wusste, erklärte: «Das ist Doktor Santiago. Er hat vor ein paar Tagen die junge Dona Capitolina geheiratet, die er seit seiner Kindheit liebt. Sie wohnen in Glória 66 und ihre Familien in der Rua de Matacavalos.» Und die anderen erwiderten: «Was für ein Prachtweib!»
    103
    Das Glück war uns hold
    «Prachtweib» ist vulgär. José Dias wusste es besser auszudrücken. Er war der Einzige aus der Stadt, der uns in Tijuca besuchen kam, um uns die Grüße und Umarmungen unserer Lieben zu überbringen, und seine Worte waren die reinste Musik. Ich werde sie hier nicht niederschreiben, um Papier zu sparen, doch sie waren bezaubernd. Einmal verglich er uns mit Vögeln, die auf zwei benachbarten Dachfirsten groß wurden. Mal dir den Rest selbst aus, lieber Leser. Die Vögel breiten ihre Flügel aus und erheben sich in die Lüfte, und der Himmel ist so weit, dass er sie beide aufnehmen kann. Keiner von uns lachte. Gerührt und andächtig lauschten wir ihm und vergaßen alles, was er an jenem Nachmittag des Jahres 1858 ausgelöst hatt e … Das Glück war uns hold.
    104
    Die Pyramiden
    José Dias musste seine Zeit nun zwischen mir und meiner Mutter aufteilen, und so aß er meist in Glória zu Abend und in der Rua de Matacavalos zu Mittag. Es ging uns sehr gut. Abgesehen von dem Kummer, dass wir keine Kinder bekamen, ging es uns in den ersten beiden Ehejahren sehr gut. Ich verlor zwar meinen Schwiegervater, und Onkel Cosme stand dem Tod auch schon näher als dem Leben, doch meine Mutter erfreute sich guter Gesundheit, und unser körperliches Befinden war ausgezeichnet.
    Ich war inzwischen Anwalt einiger wohlhabender Familien, und die Prozesse stellten sich ein. Escobar hatte viel zu meinem Einstieg im Gericht beigetragen. Auf seine Vermittlung hin hatte mich ein berühmter Rechtsanwalt in seine Kanzlei aufgenommen, und zudem hatte er mir ein paar Mandate besorgt. All dies tat er ungefragt.
    Die freundschaftlichen Bande zwischen unseren Familien waren ja bereits geknüpft, weshalb Sancha und Capitu nach der Heirat ihre Schulfreundschaft und Escobar und ich die aus dem Seminar fortsetzten. Die beiden wohnten in Andaraí 67 , wohin sie uns regelmäßig einluden, und obwohl wir es nicht so oft einrichten konnten, wie wir es wünschten, besuchten wir sie doch sonntags häufig zum Abendessen, oder sie kamen zu uns. Wir aßen nicht nur gemeinsam zu Abend. Wir fuhren früh los, gleich nach dem Mittagessen, damit wir den ganzen Tag mit ihnen verbringen konnten, und trennten uns so spät wie möglich, erst um neun, zehn oder elf Uhr abends. Wenn ich jetzt an diese Tage in Andaraí oder Glória zurückdenke, habe ich das Gefühl, dass das Leben und alles, was dazugehört, doch nicht so hart ist wie der Stein der Pyramiden.
    Escobar und seine Frau lebten glücklich. Sie hatten eine kleine Tochter. Einmal kam mir etwas von einer Affäre des Ehemanns zu Ohren, irgendjemand aus dem Theaterbereich, ob es eine Schauspielerin oder Tänzerin war, weiß ich nicht mehr; wenn es jedoch stimmte, gab es jedenfalls keinen Skandal. Sancha war zurückhaltend und ihr Gatte arbeitsam. Als ich einmal zu Escobar sagte, dass ich es bedauere, keine Kinder zu haben, antwortete er mir: «Mach dir nichts daraus, mein Lieber. Gott schenkt sie uns, wenn er es für richtig hält, und tut er es nicht, dann will er sie für sich behalten, und in dem Fall bleiben sie auch besser im Himmel.»
    «Aber ein Kind, ein Sohn, ist doch die natürliche Erfüllung des Lebens.»
    «Es wird kommen, wenn es sein soll.»
    Es kam nicht. Capitu erbat es in ihren Gebeten, und auch ich ertappte mich mehrmals dabei, dass ich darum betete. Es war nicht mehr wie früher als Kind, inzwischen bezahlte ich alles im Voraus, wie die Miete für unser Haus.
    105
    Arme
    Ansonsten ging es uns sehr gut. Capitu lachte und amüsierte sich gern, und wenn wir in der ersten Zeit spazieren oder ins Theater gingen, wirkte sie wie ein aus dem Käfig befreiter Vogel. Sie kleidete sich hübsch, aber dezent. Obwohl sie wie die anderen

Weitere Kostenlose Bücher