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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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bereits nach zehn Minuten. Zehn Minuten später hätte ich bereits wieder im Wohnzimmer am Klavier oder am Fenster gesessen und meinen unterbrochenen Vortrag wieder aufgenommen.
    «Der Mars hat zur Erde eine Entfernung vo n …»
    So schnell? Ja, so schnell; in nur zehn Minuten. Meine Eifersucht war heftig, hielt aber nicht lange an. In kürzester Zeit konnte ich alles zerstören, doch in derselben oder gar in weniger Zeit konnte ich den Himmel, die Erde und die Sterne wiedererstehen lassen.
    Die Wahrheit ist, dass ich Capitu noch lieber gewann, falls das überhaupt möglich war, und sie wurde noch zärtlicher, die Luft noch weicher, die Nächte noch klarer und Gott noch mehr Gott. Und es waren nicht die zehn Pfund Sterling, die dies bewirkt hatten, und auch nicht ihr Sinn für das Sparen, den diese mir erneut enthüllt hatten, sondern die Art, wie Capitu mir hatte zeigen wollen, wie sie tagtäglich um unser Wohl bemüht war. Auch Escobar schloss ich dadurch noch fester in mein Herz. Unsere Besuche wurden häufiger und unsere Gespräche noch vertraulicher.
    108
    Ein Sohn
    All dies konnte jedoch nicht die Sehnsucht nach einem Sohn auslöschen, und wäre es auch nur ein trauriger, gelber und magerer Junge. Ich wünschte mir einen Sohn, einen eigenen Sohn. Wenn wir nach Andaraí fuhren und Escobars und Sanchas Tochter sahen, die zur Unterscheidung von meiner Frau liebevoll Capituzinha genannt wurde, weil sie denselben Taufnamen trug, wurden wir stets ganz neidisch. Die Kleine war süß und rundlich, gesprächig und neugierig. Die Eltern erzählten, wie alle Eltern, von den Dummheiten und Schlauheiten ihres Kindes, und wenn wir nachts nach Glória zurückkehrten, seufzten wir neidvoll und baten im Geiste den Himmel, er möge uns diesen Neid nehme n …
    … Er wurde uns genommen, Hoffnung keimte auf, und es dauerte nicht lange, bis die Frucht dieser Hoffnung zur Welt kam. Es war nicht das schwächliche, hässliche Kind, um das ich in meinen Gebeten gefleht hatte, sondern ein kräftiger, schöner Junge.
    Die Freude, die ich bei seiner Geburt empfand, ist unbeschreiblich. Nie im Leben habe ich eine größere empfunden, und ich glaube auch nicht, dass es irgendetwas gibt, das sich annähernd damit vergleichen ließe. Sie machte mich schwindlig, war ein Irrsinn. Nur aus angeborener Scham lief ich nicht singend durch die Straßen, und auch zu Hause sang ich aus Rücksicht auf die erholungsbedürftige Capitu nicht. Ich fiel auch nur deshalb nicht in Ohnmacht, weil es einen Gott für frisch gebackene Väter gibt. Befand ich mich außer Haus, war ich im Geiste bei meinem Sohn, und zu Hause sah ich ihn unentwegt an, fragte ihn, woher er komme und warum ich plötzlich so ganz in ihm aufginge und anderes dummes Zeug, für das ich keine Worte, sondern nur delirierende Gedanken fand. Möglicherweise verlor ich deswegen im Gericht auch ein paar Prozesse.
    Capitu war zu ihm nicht weniger zärtlich als zu mir. Wir reichten uns die Hände, und wenn wir nicht gerade unseren Sohn anblickten, sprachen wir über uns, über unsere Vergangenheit und Zukunft. Am meisten entzückten und verzauberten mich die Stunden des Stillens. Wenn ich sah, wie mein Sohn die Muttermilch einsog, wenn ich diese natürliche Verbindung sah, die der Ernährung und dem Erhalt eines Menschen diente, der vorher nicht da gewesen, vom Schicksal aber dennoch vorgesehen und nur durch unsere Beharrlichkeit und Liebe möglich geworden war, fühlte ich mich einfach unbeschreiblich. Ich vermag es wirklich nicht auszudrücken und fürchte, es würde nichts Klares dabei herauskommen, wenn ich es versuchte.
    Erspart mir also die Einzelheiten. Nicht eigens erwähnt werden muss auch die Hingabe, mit der meine Mutter und Sancha Capitu in den ersten Tagen und Nächten zur Seite standen. Anfangs wollte ich Sanchas Angebot ausschlagen. Sie erwiderte, das sei eine Sache zwischen ihr und Capitu; diese habe sie, als sie noch ledig gewesen sei, in der Rua dos Inválidos ebenfalls gepflegt.
    «Weißt du nicht mehr, dass du sie dort besucht hast?»
    «Ich erinnere mich, aber was wird aus Escoba r …»
    «Ich komme zu euch zum Abendessen, und am späten Abend fahre ich dann nach Andaraí. Es sind doch nur acht Tage. Man merkt, dass du zum ersten Mal Vater wirst.»
    «Du doch auch. Wo ist dein zweites Kind?»
    Damals scherzten wir auf diese Weise, wenn wir zusammen waren. Heute, da ich zum Casmurro, zum Eigenbrötler, geworden bin, weiß ich gar nicht, ob eine solche Sprache überhaupt noch

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